Glossar

Tag des politischen Häftlings

Als Gedenktag für die Opfer politischer Verfolgungen in der Sowjetunion wurde der 30. Oktober festgelegt und seit 1974 von Oppositionsgruppen begangen. Die Initiatoren des „Tages des politischen Häftlings in der UdSSR“, die erstmals den Status eines politischen Gefangenen definiert hatten, waren Kronid Lubarski und Alexei Murschenko. Sie hatten ein Datum gewählt, das den offiziellen Feierlichkeiten zum Jubiläum der Oktoberrevolution am 7. November vorausging.

Jedes Jahr traten die Häftlinge der mordwinischen Lager, der Permer Lager und des Wladimir-Gefängnisses am 30. Oktober in einen eintägigen Hungerstreik. Die Protestierenden verlangten die Aufhebung der Zwangsarbeit, die Abschaffung der Bestrafung durch Hungerrationen sowie Besuche von Vertretern internationaler humanitärer Organisationen und der unabhängigen Presse. Nicht zuletzt verlangten sie, als politische Gefangene anerkannt zu werden. Ab 1987 wurden die Protestaktionen in den Lagern von öffentlichen Demonstrationen begleitet, unter anderem durch eine „Menschenkette des Gedenkens“ um das KGB-Gebäude in Moskau. 1990 wurde auf dem Moskauer Dserschinski-Platz (heute Lubianka-Platz) an diesem Tag ein Denkmal für die Opfer politischer Verfolgung enthüllt. Dieses wurde aus einem Felsblock von den Solowezki-Inseln im Weißen Meer gefertigt, auf denen sich das erste große Häftlingslager des Gulag befunden hatte. Im Oktober 1991 erklärte der Oberste Sowjet der RSFSR den 30. Oktober zu einem staatlichen Gedenktag für die Opfer der politischen Repressionen. Dies ist er bis heute in der Russischen Föderation.

Talaka

Die unabhängige historisch-kulturelle Jugendvereinigung Talaka (Nachbarschaftshilfe), wurde im Herbst 1985 in Minsk als Verein zum Erhalt von Kulturdenkmälern gegründet und führte die Tätigkeit von Majstrounja und des Uladsimir-Karatkewitsch-Klubs fort. Sie entstand auf Initiative von Sjarhej Wituschka, Winzuk Wjatschorka, Wiktar Iwaschkewitsch und Ales Suscha. Ihre rund 60 Mitglieder restaurierten Baudenkmäler und führten archäologische Grabungen durch, sie setzten sich für die Gründung von Klassen und Schulen mit Belarussisch als Unterrichtssprache ein, betrieben Kultur- und Bildungsarbeit und organisierten Feiern zu nationalen Gedenktagen. Gemeinsam mit anderen Organisationen riefen sie die Konföderation der belarussischen Gemeinschaften und die Belarussische Volksfront ins Leben.

Taras-Schewtschenko-Denkmal

Seit den 60er Jahren wurden Denkmäler des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko in Kiew und danach auch in anderen Städten der Ukraine zu Orten nationalpatriotischer Kundgebungen. Diese behördlich nicht genehmigten Zusammenkünfte fanden für gewöhnlich am 22. Mai statt, dem Jahrestag der Überführung der sterblichen Überreste des Dichters aus Sankt Petersburg in die Ukraine im Jahr 1861. In Kiew versammelten sich besonders viele Menschen, legten Blumen nieder, trugen Gedichte vor und sangen Lieder. 1966 waren es etwa 150 Personen, ein Jahr später bereits wesentlich mehr. Die Polizei sah sich veranlasst, einige Kundgebungsteilnehmer festzunehmen und versuchte, die Versammlung aufzulösen. Rund 200 Personen zogen jedoch vor das Gebäude des ZK der Kommunistischen Partei der Ukraine und forderten die Freilassung der Verhafteten, die kurz darauf tatsächlich freikamen. In den Folgejahren verzichtete man behördlicherseits auf die Auflösung der Kundgebungen und organisierte stattdessen Gegenveranstaltungen. Nach der Zweiten Verhaftungswelle 1972 verlor der oppositionelle Charakter der Veranstaltungen an Bedeutung.

Treffen im Kreml am 21. Juli 1967

Treffen von 20 Aktivisten der nationalen Bewegung der Krimtataren (Vertreter des Volkes) mit der Staatsführung der UdSSR. Dabei informierte Letztere über die Vorbereitung einer Verordnung zur Rehabilitation der Krimtataren (Dekret von 1967) und die Notwendigkeit der eingehenden Prüfung einer möglichen Rückkehr der Krimtataren auf die Krim.

Treffen in Lakitelek

Eines der wichtigsten Treffen der nationalkonservativ inspirierten Opposition in Ungarn. Zu den Beratungen, die im Sommer 1977 stattfanden, wurden weder Vertreter der demokratischen Opposition noch der kommunistischen Reformer eingeladen. Der einzige liberale Teilnehmer des Treffens war György Konrád. Hauptergebnis dieses Treffens von national orientierten Oppositionellen war die Gründung einer politischen Organisation, die im September in eine Partei mit dem Namen Ungarisches Demokratisches Forum (Magyar Demokrata Forum; MDF) umgestaltet wurde.

Treffen in Monor

Dreitägiges Treffen ungarischer Oppositioneller des nationalkonservativen und liberaldemokratischen Lagers im Juni 1985. Vonseiten der Staatsmacht, die mit den Vorbereitungen auf das für den Herbst desselben Jahres geplante Europäische Kulturforum beschäftigt war, gab es keine Behinderungen. Hauptthema der Zusammenkunft waren die Perspektiven, Möglichkeiten und Methoden oppositioneller Arbeit. Der Anführer des rechten Flügels István Csurka äußerte, die einzige Opposition, die dem System gefährlich werden könne, sei die nationale Opposition. Diese müsse jedoch davon absehen, die Legitimität des Systems offen infrage zu stellen. Der führende Vertreter der demokratischen Opposition, János Kis, sah hingegen die wichtigste Aufgabe in der Beschränkung der unbegrenzten Macht der Partei.

Die Unmöglichkeit des Dialogs zwischen diesen beiden Konzeptionen oppositioneller Arbeit führte letztlich dazu, dass die Zusammenkunft in Monor das letzte Treffen zwischen den Vertretern des nationalen und des demokratischen Flügels der Opposition blieb. 1987 unternahmen die Teilnehmern des ersten Treffens zwar den Versuch, ein Folgetreffen zu organisieren, aber noch ehe es zu einer Verständigung über zu diskutierende Themen kam, hatte sich der Konflikt zwischen den Anhängern der nationalkonservativen Strömung und den Vertretern aus dem „Beszélő“-Umfeld derart zugespitzt, dass es zu keinem Folgetreffen kam. Als Grund für den Streit verwies das nationalkonservative Lager auf die Veröffentlichung des Gesellschaftsvertrages (Társadalmi Szerződés) in der Zeitschrift „Beszélő“.

Treffen mit Anastas Mikojan

Im Rahmen dieses Treffens der krimtatarischen Vertreter des Volkes mit der Staatsführung der UdSSR empfing der damalige Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR Anastas Mikojan am 17. März 1958 erstmals eine Delegation der Krimtataren.

Trikolore

Das erste Mal trat die horizontal gelb-grün-rot gestreifte Trikolore (Trispalvė) am 19. April 1918 als Nationalflagge Litauens in Erscheinung. Während der sowjetischen Zeit war nicht nur die Flagge selbst verboten, sondern auch die Verwendung der Farbkombination, zum Beispiel bei der Kleidung oder bei Dekorationen. Seit 1989 ist die Trikolore wieder offizielle Nationalflagge des Landes.

Türkische Nationale Befreiungsbewegung

Ziel der 1985 von dem 2007 offiziell als Geheimdienst-Agent enttarnten Ahmed Dogan gegründeten Türkischen Nationalen Befreiungsbewegung (Tursko nacionalno-osvoboditelno dviženie v Bălgarija; TNODB) war es, organisierten Widerstand gegen den sogenannten Prozess der Wiedergeburt zu leisten.

Tschechoslowakisches Helsinki-Komitee

Unabhängige Bürgerrechtsorganisation. Das Gründungsdokument des Tschechoslowakischen Helsinki-Komitees (Československý helsinský výbor) vom 5. November 1988 unterschrieben 19 Personen. Die meisten waren bereits als Bürgerrechtler in anderen Bewegungen aktiv. Nach dem Vorbild der Helsinki-Komitees in anderen Ländern stützte sich die Arbeit des tschechoslowakischen Komitees auch auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki.

Ziel war es, einen konstruktiven Dialog und eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit Regierungsinstitutionen möglich zu machen, auf Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte hinzuweisen und Lösungsansätze vorzuschlagen. Zum Vorsitzenden des tschechoslowakischen Komitees (seit Dezember 1988 gehörte es zur Internationalen Helsinki-Föderation) wurde Jiří Hájek gewählt. Das Komitee gab im Samisdat den Band „Bericht des Tschechoslowakischen Helsinki-Komitees“ (Zpravodaj Československého helsinského výboru) heraus. Als Reaktion auf das Komitee berief die kommunistische Regierung am 10. Dezember 1988 einen „Rat für Menschenrechte und Humanitäre Zusammenarbeit“ ein, der der Öffentlichkeit als angeblich „tatsächliche“ Vertretung aller gesellschaftlichen Schichten präsentiert wurde. Der Rat brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg für das Regime.

Nach 1989 trennte sich das Komitee in ein tschechisches und slowakisches Komitee. Das tschechische ist bis heute in seiner ursprünglichen Form aktiv.

Tschechoslowakisch-polnische Solidarität

Im Juni 1986 trafen sich Zbigniew Janas und Janusz Onyszkiewicz aus Polen mit Petr Pospíchal und Jan Wunsch an der tschechoslowakisch-polnischen Grenze. Das Treffen war eine Wiederaufnahme der Kontakte von Ende der 70er Jahre und der Anfang einer koordinierten Zusammenarbeit der polnischen Solidarność-Aktivisten mit den tschechoslowakischen Bürgerrechtlern aus dem Umfeld der Charta 77. Es folgten eine ganze Reihe von Begegnungen im kleineren Kreis und Gesprächen zwischen Breslauer Oppositionellen wie Jarosław Broda, Mirosław Jasiński und Mieczysław „Ducin“ Piotrowski sowie Prager Bürgerrechtlern aus dem Umfeld der Zeitschrift „Jednou nohou“ („Auf einem Bein“; später unter dem Titel „Revolver Revue“). Die Oppositionellen beider Länder tauschten untereinander Samisdatpublikationen und Videokassetten aus, später auch technische Geräte, und vereinbarten, ihre politischen Standpunkte und Aktionen aufeinander abzustimmen. Diese Treffen wurden bis 1989 fortgesetzt.

Am 6. Juni 1987 bildete sich der Kreis der Tschechoslowakisch-polnischen Solidarität (Československo-polská solidarita). Von tschechoslowakischer Seite gehörten ihm Václav Benda, Petr Cibulka, Ján Čarnogurský, Jiří Dienstbier, Miklós Duray, Václav Havel, Miroslav Kusý, Ivan Lamper, Ladislav Lis, Václav Malý, František Stárek, Jaroslav Šabata, Anna Šabatová, Milan Šimečka und Petr Uhl an. Die polnischen Mitglieder waren Zbigniew Bujak, Władysław Frasyniuk, Zbigniew Janas, Pater Leon Kantorski, Jacek Kuroń, Barbara Labuda, Jan Józef Lipski, Jan Lityński, Zbigniew Romaszewski und Henryk Wujec.

Ab Dezember 1987 erschien das „Informationsbulletin der Tschechoslowakisch-Polnischen Solidarität“. Eine der größten Erfolge der Organisation war eine Veranstaltung in Breslau vom 3. bis 5. November 1989 unter dem Titel „Die unabhängige Kultur in der Tschechoslowakei“. Václav Havel bezeichnete diese später als Ouvertüre zur Samtenen Revolution. Nach der Auflösung der Tschechoslowakei und der Entstehung zweier unabhängiger Teilstaaten benannte sich die Organisation in Polnisch-Tschechisch-Slowakische Solidarität (Polsko-česko-slovenská solidarita) um.

Tschetniks

Als Tschetniks wurden umgangssprachlich jene Partisanenverbände bezeichnet, die sich während des Zweiten Weltkriegs mehr oder weniger unter Kontrolle der von Draža Mihailović befehligten und der jugoslawischen Exilregierung unterstehenden Königlichen Jugoslawischen Armee befanden. Nach der Invasion der deutschen Wehrmacht und verbündeter Truppen in Jugoslawien im April 1941 und der nachfolgenden Besetzung des Landes sammelte Mihailović die versprengten Truppenteile der regulären jugoslawischen Armee um sich und begann im zentralserbischen Ravna-Gora-Gebirge mit der Formierung von Partisanenverbänden. Diese Verbände zählten, je nach Schätzung, zwischen 30.000 und 50.000 Kämpfer. Im Rücken der deutschen Truppen verübten sie Sabotageakte und hatten bis 1943 die uneingeschränkte Unterstützung der Alliierten. 1942 kürte die Zeitschrift „Time“ Mihailović als Symbol des Widerstands gegen Hitlers Truppen im besetzten Europa sogar zum „Mann des Jahres“. Angesichts der eskalierenden Vergeltungsmaßnahmen der Deutschen an der Zivilbevölkerung nach Tschetnik-Aktionen, des zunehmenden Ustascha-Terrors gegen Serben in Kroatien und Bosnien und des Machtzuwachs der kommunistischen Tito-Partisanen setzte Mihailović neue Prioritäten: Er bekämpfte fortan vor allem die Ustascha und die Kommunisten, wobei er zuweilen auch mit lokalen italienischen und deutschen Befehlshabern zusammenarbeitete. Den Vergeltungsmaßnahmen der Tschetnik-Milizen für Ustascha-Verbrechen fielen viele nicht-serbische Zivilisten zum Opfer, vor allem in Bosnien (darunter 1943 die Ermordung Tausender Bosniaken in Foča). Unter dem Druck der UdSSR gingen die Alliierten im Rahmen ihrer Pläne zur Landung auf dem Balkan im Jahre 1943 dazu über, ihre Unterstützung für die Tschetniks und die Tito-Partisanen davon abhängig zu machen, in welchem Umfang diese sich im Kampf gegen die Deutschen und Italiener engagierten. Praktisch hatte das zur Folge, dass die Unterstützung der Alliierten für die Mihailović-Truppen eingestellt wurde. Kraft einer im August 1944 getroffenen Übereinkunft zwischen Tito und der Exilregierung unter Ivan Šubašić sollten sich die Tschetniks den Einheiten Titos unterstellen. Mihailović wies das zurück und wurde formal abgesetzt. Die Tschetnik-Verbände wurden von den Tito-Partisanen fortan systematisch verfolgt, bekämpft und und vernichtet. Einem Teil der Mihailović-Truppen gelang es, sich nach Norden durchzuschlagen und sich den Alliierten zu ergeben. Für viele endete dieser Weg jedoch tragisch, denn die Briten entschieden im Mai 1945, sie nach Jugoslawien zurückzuschicken, und damit den den Tito-Partisanen auszuliefern, die erbittert gegen die einstigen Gegner vorgingen und die meisten von ihnen ermordeten (Bleiburg). Mihailović selbst wurde im März 1946 gefasst und in einem Schauprozess wegen Landesverrats zum Tode verurteilt und erschossen. Die letzte versprengte Tschetnik-Einheit wurde 1957 im montenegrinisch-herzegowinischen Grenzgebiet zerschlagen. Überlebende Tschetniks bildeten fortan einen wesentlichen Teil der antikommunistischen serbischen Exilkreise in Deutschland, Australien und den USA.

Trotz aller Unterschiede wurden Tschetniks und Ustascha in der kommunistischen Propaganda ähnlich dargestellt. Wegen ihrer Kollaboration mit den Achsenmächten und ihrer massenhaften Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung galten sie als Verkörperung des Bösen und des Nationalismus. Die allmähliche Rehabilitierung der Tschetniks in den 80er Jahren war Ausdruck der schwindenden Macht der Kommunisten und der wachsenden Bedeutung nationaler Sichtweisen unter den serbischen Eliten.

Als 2004 das serbische Parlament die Veteranenprivilegien der Tschetniks und der Tito-Partisanen auf eine Stufe stellte, rief das nicht nur Proteste in Kroatien hervor, sondern auch bei einstigen Partisanen und nicht zuletzt bei serbischen Menschenrechtsaktivisten. Ein wichtiger Grund war zweifellos, dass die Tradition und Ideologie der Tschetniks (die sich ein ethnisch reines Groß-Serbien einschließlich der kroatischen Krajina und Teile Bosniens auf die Fahnen geschrieben hatten) immer wieder auch Bezugspunkte für die nach 1991 in den Kriegen gegen Bosnien und Kroatien kämpfenden serbischen Verbände darstellten, von denen sich später einige ihrer Anführer wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten mussten.

„Tvář“

Offiziell erscheinende Monatszeitschrift, die vom Tschechoslowakischen Schriftstellerverband herausgegeben wurde und vor allem den Werken junger Autoren gewidmet war. „Tvář“ (Gesicht) erschien 1964/65 und später wieder von Herbst 1968 bis Juni 1969. In der Zeitschrift wurden hauptsächlich literaturkritische Artikel abgedruckt, mit denen an die zur gleichen Zeit in Westeuropa stattfindende Entwicklung angeknüpft werden sollte. Zur Redaktion gehörten unter anderem Jiří Gruša und Václav Havel. Wichtige Autoren waren Bohumil Doležal, Ladislav Hejdánek, Jan Lopatka und Karel Štindl. Nach 1989 wurde „Tvář“ als Halbjahresschrift neu begründet.

„Tygodnik Mazowsze”

Wichtigstes Publikationsorgan der Solidarność im Untergrund, das ab der Ausrufung des Kriegsrechts acht Jahre lang ohne Unterbrechungen erschien. Die erste Ausgabe des „Tygodnik Mazowsze“ (Masowisches Wochenblatt) kam am 11. Februar 1982 heraus. In der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift wurde über die Taktik der Solidarność unter den Bedingungen des Kriegsrechts diskutiert, abgedruckt wurden Verlautbarungen und Erklärungen des Provisorischen Koordinierungsausschusses und des Regionalen Exekutivausschusses Masowien der Solidarność. Das Blatt informierte über die konspirative Untergrundarbeit der Gewerkschaft und veröffentlichte Berichte von Prozessen und Repressionen gegen Gewerkschaftsaktivisten, Interviews mit Gewerkschaftsführern wie Lech Wałęsa, Zbigniew Bujak und Władysław Frasyniuk sowie die Novellen des oppositionellen Schriftstellers Marek Nowakowski.

Die Zeitschrift erschien in einer Auflage von 50.000 bis 80.000 Exemplaren. Das Vertriebssystem des „Tygodnik Mazowsze“ spielte auch eine bedeutende Rolle für den Auf- und Ausbau der konspirativen Strukturen der Solidarność. Die Redaktionsleitung lag bei Helena Łuczywo, weitere Redaktionsmitglieder waren Tomasz Burski, Zofiua Bydlińska-Czernuszczyk, Anna Dodziuk, Wojciech Kamiński, Anna Bikont, Krzysztof Leski, Piotr Pacewicz, Małgorzata Pawlicka, Joanna Szczęsna und Ludwika Wujec. Den Druck verantworteten Witold Łuczywo, Piotr Niemczyk und Tadeusz Winkowski. Die Zeitschrift erhielt finanzielle Unterstützung aus dem Ausland, so beispielsweise von der Redaktion der Pariser „Kultura“. Diese Hilfe wurde vom Provisorischen Koordinierungsausschuss und dem Regionalen Exekutivausschuss Masowien der Solidarność vermittelt und gelangte über konspirative Kanäle an die Redaktion. Die letzte Ausgabe der Zeitschrift (Nr. 290) erschien am 12. April 1989. Die sich damals bildende Redaktion der Solidarność-Wahlzeitung „Gazeta Wyborcza“ konnte viele Mitarbeiter des „Tygodnik Mazowsze“ für die Mitarbeit gewinnen.

Bartosz Kaliski, Jan Skórzyński

„Tygodnik Powszechny”

Katholische, soziokulturelle Wochenzeitung, die seit März 1945 in Krakau herausgegeben wird. Herausgeber war anfangs die Krakauer Kurie, dann ab 1956 das Redaktionskollegium und das Verlagsinstitut Znak. Chefredakteur war bis zu seinem Tod 1999 Jerzy Turowicz. Der „Tygodnik Powszechny“ (Allgemeines Wochenblatt) war stets unabhängig vom Staat, unterlag jedoch den Bestimmungen zur Zensur und zur Begrenzung der Auflagenhöhe. Schirmherr des Blattes, ohne dieses jedoch zu kontrollieren, war der jeweilige Krakauer Erzbischof. Hauptanliegen des „Tygodnik Powszechny“ war es, die katholische Sichtweise im kommunistisch regierten Polen zu artikulieren. Dazu wurde im Bereich der Kultur und Philosophie gegen den Marxismus polemisiert, ohne jedoch die politische Konfrontation zu suchen.

1953 wurde die Zeitschrift vom Regime verboten, weil es sich geweigert hatte, einen Nekrolog auf Stalin abzudrucken. Dieses Verbot wurde mit dem Machtwechsel in Folge des Oktober 1956 wieder aufgehoben. Der „Tygodnik“ gehörten neben den Klubs der Katholischen Intelligenz zur Bewegung Znak (Zeichen), in der sich katholische Laien zusammenfanden, die am öffentlichen Leben teilhaben, sich jedoch ihre ideell-geistige Unabhängigkeit und Identität bewahren wollten. Die Zeitschrift stand stets für einen offenen Katholizismus im Geiste der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils und geriet dadurch zuweilen auch in Konflikt mit der Amtskirche und ihrer Hierarchie. Zudem zeigte sich die Zeitschrift stets offen für den Dialog mit Nichtgläubigen und für die ökumenische Verständigung.

Zu den wichtigsten Mitarbeitern der Wochenzeitung gehörten Władysław Bartoszewski, Antoni Gołubiew, Paweł Jasienica, Stefan Kisielewski, Marcin Król, Hanna Malewska, Stanisław Stomma, Karol Wojtyła, Jacek Woźniakowski und Józef Tischner. 1980 brachte sich das Umfeld des „Tygodnik Powszechny“ aktiv in die Solidarność-Bewegung ein. Nach der Verhängung des Kriegsrechts wurde das Erscheinen des Blattes für fünf Monate gestoppt. Einige Redaktionsmitglieder traten dem 1988 gebildeten Bürgerkomitee beim Vorsitzenden der Solidarność bei. Chefredakteur Jerzy Turowicz nahm an den Gesprächen am Runden Tisch teil, sein langjähriger Stellvertreter Krzysztof Kozłowski wurde 1990 in der Regierung von Tadeusz Mazowiecki zum ersten nichtkommunistischen Innenminister ernannt.

Der „Tygodnik Powszechny“ erscheint bis heute als Wochenzeitung (Homepage der Zeitschrift: https://www.tygodnikpowszechny.pl

Jan Skórzyński