Geschichte der Opposition in Nordmazedonien
Gestalt und Entwicklung der Dissidentenbewegung in Nordmazedonien wurden wesentlich durch die Landesgeschichte bestimmt. Und diese unterscheidet sich grundsätzlich von den anderen Ländern des sozialistischen Lagers im Süden Europas.
Von entscheidender Bedeutung war die Zweite Sitzung des Antifaschistischen Rates für die Nationale Befreiung Jugoslawiens 1943, auf der Nordmazedonien der politische Status einer Teilrepublik garantiert wurde. Ein Jahr später, am 2. August 1944, konstituierte sich das neue Mazedonien als sozialistische Teilrepublik der jugoslawischen Föderation und erlangte so zum ersten Mal eine – wenn auch beschränkte – Staatlichkeit. Die auf Initiative des Antifaschistischen Rates für die Nationale Befreiung Mazedoniens entstandene Republik nahm nur einen Teil des Territoriums des historischen Makedoniens ein, und zwar das sogenannte Vardar-Makedonien, da Ägäis-Makedonien zu Griechenland gehörte und Pirin-Makedonien an die Volksrepublik Bulgarien gefallen war. Die Schaffung dieser territorial begrenzten Sozialistischen Republik Mazedonien im Rahmen der jugoslawischen Föderation war in verschiedenen Phasen der Nachkriegsgeschichte denn auch immer wieder ein Thema, das von der mazedonischen Dissidentenbewegung aufgegriffen wurde. Neben dem Streben nach voller politischer Souveränität spielten auch Forderungen nach einer Zusammenführung und Vereinigung aller historischen Teilgebiete Makedoniens eine Rolle.
Nach Kriegsende rechnete der straff organisierte kommunistische Machtapparat schnell und effizient mit den Gegnern der neuen Ordnung ab. Wie im übrigen Jugoslawien konnte er sich dabei auf die Geheimpolizei stützen. Möglich wurde die repressive Politik gegenüber der Bevölkerung unter anderem dadurch, dass die Zahl serbischer Offiziere (im Vergleich zu den Mazedoniern) in den Sicherheitsdiensten der Teilrepublik deutlich überwog. Bezeichnend war zudem, dass der neuen Ordnung immer wieder mazedonische Kommunisten zum Opfer fielen, die eigene Vorstellungen in Bezug auf die Staatlichkeit Mazedoniens verfolgten. Hatten Aktivisten andere als die offiziellen kommunistischen Ansichten, wurden sie schnell als profaschistische oder probulgarische Kollaborateure gebrandmarkt. Weil sie die Befreiung und Vereinigung ganz Makedoniens im Rahmen des bulgarischen Staates propagiert hatten, wurden Dimitar Čkarov und Dimitar Gjuzelov, zwei Aktivisten des probulgarischen Unabhängigkeitskampfes, unmittelbar nach Kriegsende zum Tode verurteilt. Ohne Erlaubnis der Belgrader Zentrale war es auch für die Führung der mazedonischen Teilrepublik unmöglich, wie auch immer geartete autonome Maßnahmen zu ergreifen. Daher scheiterten beispielsweise auch Versuche zur Gründung einer autokephalen (eigenständigen) orthodoxen Kirche Mazedoniens im März 1945. Dass diese Initiative vom Vorsitzenden des Antifaschistischen Rates für die Nationale Befreiung Mazedoniens, Metodija Andonov-Čento, unterstützt wurde, rief wütende Proteste der Staatsführung in Belgrad hervor. Derartige Bestrebungen wurden als Versuch gewertet, sich von Jugoslawien unabhängig zu machen und die Verbindung mit dem serbischen Patriarchat zu kappen. Für die ideologischen Wächter der neuen Ordnung verstießen sie gegen die geltenden Prinzipien der Brüderlichkeit und Einheit der Völker Jugoslawiens.
Auch andere Aktivitäten Metodija Andonov-Čentos erregten mehrfach den Unmut Belgrads. Denn er war nicht nur gegen die Abhängigkeit Mazedoniens von den Machtorganen der Föderation, sondern protestierte auch gegen den Terror des kommunistischen Apparats und ganz besonders gegen Massenhinrichtungen ohne Gerichtsurteil. Andonov-Čento forderte die Zentralmacht auf, das Recht der einzelnen Teilrepubliken auf Selbstbestimmung und den Austritt aus der Föderation anzuerkennen und kritisierte in aller Offenheit die Idee des zentralistischen Bundesstaates. Denn dieser – so Andonov-Čento – stelle eine Verletzung der Souveränität Mazedoniens dar, wie sie auf der Ersten Sitzung des Antifaschistischen Rates für die Nationale Befreiung Jugoslawiens zugesichert worden sei. Derartige Äußerungen Andonov-Čentos führten dazu, dass die kommunistische Staatsführung Jugoslawiens ihn von allen politischen Funktionen und Ämtern in Mazedonien entband. Auf Grundlage fingierter Beweise wurde er des Chauvinismus angeklagt. Ihm wurde vorgeworfen, er habe Verbrechen gegen das eigene Volk und den Staat begangen. 1946 kam er für elf Jahre ins Zuchthaus. Zu seiner Rehabilitierung kam es (wie auch im Falle weiterer damals Verurteilter) erst nach einer Wiederaufnahme des Prozesses 1990, viele Jahre nach seinem Tod.