Geschichte der serbischen Opposition
In den ersten Nachkriegsjahren gelang es Tito und seinen Anhängern, die Kommunistische Partei Jugoslawiens als vorherrschende politische Macht im Land zu etablieren. Dabei gingen sie mit aller Härte gegen politische Widersacher vor. Ab 1948 kam es zum Bruch mit Moskau (Kominformisten), und ab Anfang der 50er Jahre löste sich die jugoslawische Parteiführung nach und nach vom sowjetischen Modell des Sozialismus. Schrittweise wurde ein System der wirtschaftlichen Selbstverwaltung eingeführt, innerhalb derer eigene Ansichten weitgehend frei geäußert werden konnten. Ab Mitte der 50er Jahre begann ein langsamer Öffnungsprozess nach Westen und mit der Normalisierung der Beziehungen Jugoslawiens zur Sowjetunion und der sogenannten Moskauer Erklärung auch Richtung Osten. Der politische Druck im Inland ließ spürbar nach. Es kam zu einer deutlichen wirtschaftlichen Belebung, wenngleich die Industrialisierung in erster Linie von westlichen Hilfsleistungen und Krediten abhing. Nicht minder wichtig war jedoch die Unterstützung aus dem Osten, denn während des Kalten Krieges wurde in Jugoslawien als in eine Art Pufferzone investiert. In Jugoslawien etablierte sich eine neue politische Elite, eine Arbeiterklasse und eine ökonomisch und politisch von der Staatsmacht abhängige Mittelschicht. Der blockfreie Status Jugoslawiens ermöglichte einen höheren Lebensstandard sowie ein höheres Maß an Freiheit und Weltoffenheit als in den anderen kommunistisch regierten Ländern. Nach 1958 weckten immer häufigere Arbeiterstreiks auch Hoffnungen auf eine Bewegung für gesellschaftlichen Wandel. Entweder wurden diese Aktionen jedoch gewaltsam niedergeschlagen, oder sie liefen ins Leere, weil es (vor allem in Bezug auf die Auszahlung ausstehender Gehälter) Zugeständnisse seitens der Betriebsleitungen oder der übergeordneten Machtorgane gab.
Besonders wichtig für die Entwicklung der jugoslawischen Dissidentenbewegung waren die Veränderungen im Kulturbereich. Der Ausbau des Schulsektors und die wachsende Zahl von Hochschulen trugen dazu bei, dass es immer mehr gut ausgebildete Menschen gab. So entwickelte sich in Jugoslawien ein vielfältiges Kulturleben, das sich zwar meist im Rahmen offizieller Strukturen bewegte, aber dennoch Grenzen des Sagbaren immer wieder austestete und in Jugoslawien in größerem Maße toleriert wurde als in anderen kommunistisch regierten Ländern. Die Machthaber behielten sich gleichwohl vor einzugreifen, sobald die Situation außer Kontrolle zu geraten drohte. Das geistige Leben in Serbien entwickelte sich vor allem dank zahlreicher Zeitschriften, wie die in Belgrad erscheinenden Blätter „Delo“, „Filozofija“, „Sociologija“ und „Gledišta“, sowie diverser Tageszeitungen, wie „Danas“, „Vidici“, „Student“ und „Susret“. Ähnliche Entwicklungen gab es in Kroatien und Slowenien. Auch das 1957 zuerst auf Englisch erschienene und später in viele Sprachen (ins Serbische erst 1990) übersetzte Buch „Die neue Klasse. Eine Analyse des kommunistischen Systems“ des wohl bekanntesten jugoslawischen Dissidenten Milovan Đilas (1911–95) erschien in diesem Klima. Drei Jahre zuvor hatte der einst hochrangige Parteifunktionär und enge Mitarbeiter Titos bereits eine kritische Artikelserie in der kommunistischen Tageszeitung „Borba“ veröffentlicht. Darin hieß es, die gegenwärtige Politik schließe die Entstehung wie auch immer gearteter unabhängiger Gruppen, insbesondere politischer Parteien, aus. Đilas forderte einen Wandel, der allerdings nicht über den durch das bestehende politische System gesteckten Rahmen hinausging. Auf einem Plenum des Zentralkomitees des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ), das eigens zur Erörterung des „Falles Đilas“ anberaumt worden war, bezeichnete Tito die Artikel dennoch als Angriff auf die Partei. Đilas wurde aus der Parteiführung entfernt und verlor alle von ihm bekleideten staatlichen Ämter. Doch auch weiterhin meldete sich Đilas mit seiner Kritik im In- und Ausland zu Wort und wurde dafür mehrfach zu Haftstrafen verurteilt. Neben dem Begriff „*Kominformist“ wurde auch die Bezeichnung „Đilasist“ zu einem berüchtigten Schimpfwort.
Als solcher wurde auch der Schriftsteller und Publizist Mihajlo Mihajlov (1934–2010) betitelt. Selbst einer der bekanntesten jugoslawischen Dissidenten, sah Mihajlov in Đilas den Vater der Dissidentenbewegung – nicht nur Jugoslawiens, sondern des gesamten kommunistischen Blocks. Auch Mihajlov wurde in Jugoslawien mit einem Publikationsverbot belegt, weshalb er seine Arbeiten im Ausland veröffentlichte. Hauptgrund der Repressionen gegen ihn war jedoch sein Versuch, eine unabhängige Zeitschrift mit dem Arbeitstitel „Slobodna reč“ (Freies Wort) zu gründen. Mihajlov wurde wiederholt zu Gefängnisstrafen verurteilt bis er 1978 in die USA emigrierte, wo er als Universitätsdozent und später auch für Radio Freies Europa arbeitete. Erst 2001 kehrte er nach Serbien zurück.