Neue Impulse in der Opposition
Das Jahr 1987 markierte einen Einschnitt für die slowakische Oppositionsbewegung. Die der bürgerlichen Opposition nahestehenden Künstler aus der Undergroundszene verlegten ihre Zeitschriften im Samisdat nun unter voller Nennung der Namen und Adressen der Herausgeber und Redakteure, womit sie einen eindeutig politischen Charakter erhielten. Ein weiterer Wendepunkt stellte die legale Herausgabe der Zeitschrift *„Bratislava/nahlas“ (Bratislava/laut) dar, die gesellschaftliche und ökologische Zustände thematisierte. Die kommunistischen Machthaber lehnten diese Publikation zwar grundlegend ab, doch konnte sich selbst innerhalb der kommunistischen Führungsriege auf keine Maßnahmen geeinigt werden, wie mit Herausgebern und Autoren umzugehen sei. Vladimír Mináč kritisierte – obwohl slowakischer Parlamentsabgeordneter, Mitglied der Kommunistischen Partei und regimetreuer Schriftsteller – die geplanten Repressionsmaßnahmen, was auch in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Mit Ausnahme einiger Fälle, in denen Personen Diskriminierungen an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt waren, wurden die Autoren von „Bratislava/nahlas“ nicht verfolgt.
Im Oktober 1987 begingen Jozef Jablonický, Ján Čarnogurský, František Mikloško und Anton Selecký auf einer Versammlung in Černová in der Nähe von Ružomberok den 80. Jahrestag der Erschießung von 15 Dorfbewohnern durch die österreichische Militärpolizei. Sie waren 1907 für ihre Forderung hingerichtet worden, die neu gebaute Kirche von ihrem Landsmann Priester Andrej Hlinka weihen zu lassen. Die Bürgerrechtler legten Kränze am Grab der Getöteten nieder, Jozef Jablonický hielt eine Rede. Zur gleichen Zeit erschien die „Erklärung zur Deportation der Juden aus der Slowakei“ (Vyhlásenie k deportáciám Židov zo Slovenska), in der die Diskriminierung jüdischer Slowaken während des Zweiten Weltkrieges verurteilt und die antisemitischen Verordnungen der damaligen slowakischen Regierung für rechtswidrig erklärt wurden. Die Erklärung bezeichnete die Diskriminierung der Juden als die schlimmste Tragödie in der Geschichte der Slowakei. Sie wurde nicht nur von Vertretern der kirchlichen und bürgerlichen Opposition unterschrieben, sondern auch von Personen des öffentlichen und kulturellen Lebens, die nicht zum Untergrund gehörten.
Seit 1988 veröffentlichten und redigierten Ján Čarnogurský und Ján Langos gemeinsam die Zeitschrift *„Bratislavské listy“ (Pressburger Blätter). Während sich bisherige Zeitschriften aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen gewidmet hatten, war das Ziel dieser neuen Publikation, einen Ort „für die ungezwungene Diskussion über gesellschaftliche und politische Fragen sowie über Alternativen für die Zukunft im nationalen und europäischen Kontext“ zu bieten. Die Konzentration auf christlich-ethische Grundsätze erschien den Herausgebern als die angemessenste Form, obgleich die Zeitschrift organisatorisch nicht mit der Kirche verbunden war.
In diesen Jahren wuchs die Zahl von Slowaken, die sich religiös engagierten oder an Pilgerreisen teilnahmen. Mit großem Interesse wurde die Petition *„Impulse von Katholiken zur Verbesserung der Situation gläubiger Bürger in der ČSSR“ (Podněty katolíků k řešení situace věřících občanů v ČSSR) von Augustin Navrátil aufgenommen, in der der Autor die Wiederbelebung des religiösen Lebens und die Einhaltung der Glaubensfreiheit fordert. Am 25. März 1988 organisierten Bürgerrechtler aus der katholischen Opposition in Bratislava die *Kerzendemonstration, an der 2.000–3.000 Menschen teilnahmen. Die Demonstranten forderten unter anderem, dass der Staat nicht in die Bischofswahl eingreife, die vollkommene Religionsfreiheit gewähre und die Menschenrechte achten solle. Die *Kerzendemonstration war die größte antistaatliche Demonstration in der Slowakei vor 1989.

*Kerzendemonstration am 25. März 1988 in Bratislava: Auf dem historischen Hviezdoslav-Platz im Zentrum demonstrieren die Menschen mit Kerzen in der Hand gegen die Missachtung der Menschenrechte und vor allem gegen die fehlende Religionsfreiheit in der Tschechoslowakei.
Ende 1988 formierte sich die erste bürgerliche Oppositionsgruppe, die *Bewegung für Bürgerfreiheit (Hnutí za občanskou svobodu; HOS). Sie wurde von Ján Čarnogurský, Miroslav Kusý, Vladimír Maňák, Hana Ponická und Anton Selecký gegründet. Mit ihrer Entstehung begann ein Prozess, in dem sich die einzelnen Oppositionsgruppen zu einer gemeinsamen Bewegung zusammenschlossen. Auch knüpfte die HOS erste Kontakte mit ungarischen Dissidenten.
Bürgerrechtler gelangten immer häufiger in Positionen in offiziellen staatlichen Strukturen. So versammelten sich im Slowakischen Naturschutzbund zahlreiche Bürger, die mit den politischen Verhältnissen unzufrieden waren. Die Verbandszeitschrift „Ochranca prírody“ (Umweltschützer) gab denjenigen die Möglichkeit zum Publizieren, die sich in offiziellen Medien nicht zu Wort melden konnten. 1989 hatte die Zeitschrift einen Anteil daran, die verschiedenen kritischen Strömungen in einer einheitlichen Bewegung zu bündeln. Die Intellektuellen in der Slowakei waren insgesamt nicht eindeutig oppositionell gesinnt oder aktiv, äußerten jedoch wiederholt Kritik an verschiedenen Aspekten des politischen Systems und suchten teilweise auch Kontakt zur Ökologie-Bewegung. Zu dieser Gruppe von Intellektuellen gehörten der Soziologe Soňa Szomolányi, Martin Bútora, Vladimír Krivý und der Ökonom Vladimír Ondruš. Im Sommer 1989 setzten Pressburger Ökologen den von der Kommunistischen Partei ernannten Vorsitzenden der Ortsgruppe Bratislava des Slowakischen Naturschutzbundes ab.
Der alternativen Kulturszene wiederum gelang es bereits ein Jahr zuvor, Ämter im staatlichen Verband Bildender Künstler zu übernehmen und den parteiunabhängigen Miroslav Cipár an die Spitze einer Ortsgruppe zu setzen. Dort herrschte fortan eine freiere Atmosphäre, in der auch nichtkonformistische Meinungen geäußert werden konnten. Im November 1989 folgte schließlich die Gründung der Organisation *Öffentlichkeit gegen Gewalt (Verejnosť proti násiliu; VPN).
Ab 1988 sendeten einzelne slowakische Politiker aus der Kommunistischen Partei erste vorsichtige Signale an die Bürgerbewegung. Neben Vladimír Mináč waren das jüngere Mitarbeiter des Instituts für Marxismus-Leninismus, wie etwa Peter Weiss und Karol Kanis. In der Wochenzeitschrift „Nové slovo“ (Das neue Wort) betonten sie die Notwendigkeit, den Reformprozess sowohl in der Gesellschaft als auch in der Innenpolitik zu beschleunigen. Ähnliche Initiativen kamen vom Lenin-Club „Iskra“ (Funke), der von dem ehemaligen Parteimitglied Igor Cibula und dem aktiven kommunistischen Politiker Jozef Moravčík 1987 gegründet worden war. Der Club setzte später seine Arbeit als Sozialwissenschaftliches Forum „Dialog“ fort. Zwischen den beiden Lagern der Parteianhänger und den oppositionellen Kreisen versuchte der Philosoph Boris Zala zu vermitteln.