Miroslav Kusý wurde 1931 in Bratislava (Pressburg) geboren. 1954 beendete er sein Philosophiestudium an der Karls-Universität in Prag und arbeitete bis 1956 als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für dialektischen Materialismus an der Prager Hochschule für Politische Wissenschaft und Wirtschaft. In dieser Zeit befasste er sich auch verstärkt mit erkenntnistheoretischen Fragen. 1952 trat Kusý der Kommunistischen Partei bei. 1957 übernahm er die Stelle eines wissenschaftlichen Dozenten am Lehrstuhl für Philosophie und Logik. Später übte er die gleiche Funktion am Lehrstuhl für dialektischen und historischen Materialismus an der Comenius-Universität Bratislava aus. Er arbeitete weiterhin zu Fragen der Erkenntnistheorie und der kritischen Philosophie und publizierte hauptsächlich in den Zeitschriften „Kultúrny život“ (Kulturelles Leben) und „Nové slovo“ (Neues Wort). 1961 veröffentlichte er das Buch „Einführung in die Philosophie“ (Úvod do filozofie) und ein Jahr später seine Arbeit zur Erkenntnistheorie. Nach und nach schloss er sich der Strömung der revisionistischen Philosophie an, zu der in der Tschechoslowakei unter anderem Karel Kosík, Milan Průcha und Ivan Sviták gehörten und in Polen Adam Schaff sowie Leszek Kołakowski.
1966 wurde Kusý zum Professor berufen. Im gleichen Jahr gab er seine Arbeit „Politische Philosophie“ (Filozofia politiky) heraus, die kritische Töne zur damaligen politischen Lage in der Tschechoslowakei anschlug. In den 70er Jahren wurde seine wissenschaftliche Arbeit zwar toleriert, rief aber bei der Parteispitze Missfallen hervor. Die staatlichen Zensurbehörden griffen häufig in seine Texte ein. 1968 knüpfte er Verbindungen zu jugoslawischen marxistischen Philosophen mit einer revisionistischen Einstellung. Diese Wissenschaftler gruppierten sich rund um die Zeitschrift „Praxis“, die bis zu ihrer Einstellung 1975 durch die Belgrader Regierung herausgegeben wurde. Als nächstes erschien ein Text von ihm in der im jugoslawischen Ljubljana herausgegebenen Zeitschrift „Teoria in Praxa“ (Theorie und Praxis), in dem er die Reformen des Prager Frühlings analysierte. Die slowakische Ausgabe wurde eingestampft.
Während der Versuche, das politische System in der Tschechoslowakei in den 60er Jahren zu reformieren, betonte Kusý die Notwendigkeit, die Gesellschaft zu demokratisieren. Dadurch geriet er in Konflikt mit Vertretern des sogenannten nationalslowakischen Flügels, die vor allem eine weitere Föderalisierung des Gesamtstaates einforderten. Im September 1968 wurde er Leiter der ideologischen Abteilung der Kommunistischen Partei der Slowakei, im darauf folgenden Frühjahr jedoch bereits wieder aus diesem Amt entfernt und aus der Partei ausgeschlossen, da er die Rücknahme der Reformen nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei zur Niederschlagung des Prager Frühlings öffentlich kritisiert hatte. Kusý musste danach ebenfalls seine Universitätsprofessur aufgeben.
In den 70er Jahren änderte er häufig seinen Arbeitsplatz. Als er 1977 die Charta 77 unterschrieb, wurde er aus der Universitätsbibliothek entlassen, in der er zu diesem Zeitpunkt angestellt war und ging anschließend verschiedenen einfacheren Arbeiten nach. Kusý war zu dieser Zeit der einzige slowakische Unterzeichner der Charta 77, der auch in der Slowakei wohnte, alle anderen – Dominik Tatarka und Ján Mlynárik – lebten in Prag. Von 1980 bis November 1989 war er im Pressburger Institut für Architektur und Urbanistik URBION angestellt und zuständig für die Dokumentation.
Kusý gehörte zu den Vertretern der sogenannten „Opposition der Reflexion“, die sich vor allem auf den intellektuellen Widerstand konzentrierte. Er arbeitete für slowakische Exilzeitschriften und den tschechischen Samisdat, wie etwa „Listy“ (Blätter), „Obsah“ (Inhalt), „Doba“ (Epoche), „Dialogy“(Dialoge), „Československý fejeton/fejtón“ (Tschechoslowakisches Feuilleton) und „Lidové noviny“ (Volkszeitung), sowie in der Slowakei für „Bratislavské listy“ (Pressburger Blätter) und „Fragment K“ („Fragment“). 1978 engagierte er sich beim Aufbau der Fliegenden Universität in Bratislava. Nach nur kurzer Zeit wurden seine Bemühungen durch die Staatssicherheit unterbunden. Mehrere Male wurde er für die Verbreitung von ausländischer Literatur oder Samisdatpublikationen festgenommen. Im Zusammenhang mit dem Vorfall mit einem französischen Lastwagen wurde gegen ihn wegen des angeblichen „Versuchs, die Republik zu stürzen“ ein Strafverfahren eröffnet. Im Mai 1981 verbrachte er zwei Wochen in Untersuchungshaft.
1984 veröffentlichte Kusý in der in Toronto ansässigen slowakischen Exilzeitschrift „Naše snahy“ (Unsere Mühen) zusammen mit Milan Šimečka den Band „Die Europäische Erfahrung mit dem Realsozialismus“ (Európska skúsenosť s reálnym socializmom). In dieser Essaysammlung zur Analyse des Realsozialismus wiesen die Autoren die These zurück, dass das sowjetische System noch sozialistisch sei, da die Entwicklungsmöglichkeiten für den Sozialismus sowjetischen Typs vollkommen erschöpft seien. Wohl aber sei die Idee des Sozialismus durch die stalinistische und realsozialistische Praxis diskreditiert worden.
Seit den 70er Jahren hatte sich Kusý immer mehr von den Reformkommunisten gelöst. Seine Essays widmeten sich in den 80er Jahren vorwiegend der detaillierten Analyse des politischen Systems, der Ideologie und Praxis des Realsozialismus, den er als totalitär und etatistisch beschrieb. Er wies auf die Diskrepanz zwischen den ursprünglichen Zielen der kommunistischen beziehungsweise sozialistischen Bewegung und der Praxis des damaligen Realsozialismus hin. In der Slowakei lösten seine historischen Essays eine heftige Kontroverse aus, die das Verhältnis der slowakischen Gesellschaft und ihrer politischen Elite zu den nationalen Traditionen thematisierte. Kusý befasste sich aber auch mit ökologischen Problemen. 1984 publizierte er in der im Selbstverlag erscheinenden Prager Zeitschrift „Obsah“ (Inhalt) den Artikel „Der Marxismus und die ökologische Krise“ (Marxizmus a ekologická kríza), welcher auch einen gewissen Einfluss auf die Autoren von „Bratislava/nahlas“ (Bratislava/laut) hatte.
1988 begann Kusý eine dauerhafte Zusammenarbeit mit dem tschechoslowakischen Programm von Radio Freies Europa. In seinen Texten, die später in dem Band „Auf den Wellen des Freien Europas“ (Na vlnách Slobodnej Európy) herausgegeben wurden, kommentierte er kritisch die politische Situation in der Tschechoslowakei. So demaskierte er beispielsweise den vermeintlichen Neuanfang, der von der kommunistischen Führung verkündet wurde, als rein deklamatorisches Projekt. 1989 unterschrieb er das Manifest „Demokratie für alle“ (Demokracie pro všechny) und das Programm der Bewegung für Bürgerfreiheit (Hnutí za občanskou svobodu; HOS). Zusammen mit Ján Čarnogurský, Hana Ponicka, Anton Selecki und Vladimír Maňák schrieb Kusý 1989 einen Brief an die Regierung der Slowakischen Sozialistischen Republik, in dem sie ankündigten, dass sie Blumen an dem Ort niederlegen, an dem die Studentin Danka Košanová am 21. August 1968 in Bratislava während des Einmarsches von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei zur Niederschlagung des Prager Frühlings von sowjetischen Soldaten getötet worden war. Alle Unterzeichner dieses Briefes, die sogenannten „Pressburger Fünf“, wurden daraufhin verhört. Kusý wurde zusammen mit Čarnogurský verhaftet und verurteilt. Nach zwölf Wochen wurde er aus der Haft entlassen. Am 14. November 1989 wurde er dann zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
Während der Samtenen Revolution war Kusý von Dezember 1989 bis Februar 1990 Presse- und Informationsminister in der Regierung der Nationalen Verständigung von Marián Čalfa. 1990 kam er als Abgeordneter ins Parlament und war 1990–92 Präsidiumsmitglied des Slowakischen Nationalrats. In den Jahren 1991 und 1992 arbeitete er zudem als Leiter der Pressburger Präsidialkanzlei von Präsident Václav Havel. Nach den ersten freien Wahlen wurde ihm zudem 1989 das Rektorenamt der Comenius-Universität Bratislava angetragen, das er bis 1991 ausübte. 1990 gründete er dort den Lehrstuhl für Politikwissenschaft, den er sechs Jahre lang inne hatte und leitete das UNESCO-Zentrum für Menschenrechtsfragen seiner Universität.
Seine Forschungsschwerpunkte waren Menschenrechtsfragen und Minderheitenrechte. Kusý publizierte 1990 das Buch „Unangenehme Dokumente“ (Závadné písomnosti), in dem er die politische Situation der sogenannten „Normalisierung“ und die Verfolgung der Opposition durch die Staatssicherheit beschreibt. 1991 erschienen seine Texte aus dem Samisdat im Band „Eseje“ (Essays). Sein 1998 erschienenes Buch „Was ist mit unseren Ungarn?“ (Čo s našimi Maďarmi?) thematisiert das schwierige slowakisch-ungarische Verhältnis.
Miroslav Kusý starb am 13. Februar 2019 in Bratislava.