Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gab sich die Bewegung der Generation der Sechziger auch organisatorische Strukturen. Ab Januar 1970 erschien das erste periodisch gedruckte ukrainische Informationsbulletin „Ukrajins‘kyj visnyk“ anonym im Samisdat. Vorbild dieses Bulletins war die Moskauer „Chronik der laufenden Ereignisse“. Neben systematischen Informationen über die Bewegung, über Repressionen und über die Lage der politischen Gefangenen (Korrespondenten gab es, wie am Inhalt der Sparte „Chronik“ abzulesen war, in mindestens zehn großen Bezirksstädten der Ukraine) enthielt das Bulletin auch Beiträge zur Geschichte und zum ukrainischen Holodomor. Zudem erschienen auch literaturkritische Arbeiten, Gedichte und Prosa.
Nach dem Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei im August 1968 griff das Regime härter durch. Das Erscheinen des „Ukrajins‘kyj visnyk“ löste eine neue Verhaftungswelle aus, die zeitlich mit dem Beschluss der Partei- und Staatsführung zur Zerschlagung des Samisdat zusammenfiel. Die Repressionen begannen im Dezember 1971 und dauerten auch in der ersten Jahreshälfte 1972 an. Eine Aktion in Moskau führte sogar dazu, dass das Erscheinen der „Chronik der laufenden Ereignisse“ für einige Zeit eingestellt werden musste. Unmittelbare Folge war der Prozess gegen Jakir und Krassin.
In der Ukraine war die Zweite Verhaftungswelle von zahlreichen Wohnungsdurchsuchungen und Entlassungen begleitet. In Kiew, Lwiw und anderen ukrainischen Städten wurden im Januar 1972 rund 20 führende Dissidenten des Landes festgenommen. Bis Ende des Jahres kamen insgesamt über 100 Personen in Haft, 89 von ihnen wurden verurteilt. Hunderte von Menschen waren Opfer außergerichtlicher Verfolgungsmaßnahmen. Betroffen waren nicht nur Mitarbeiter wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen, sondern auch Intellektuelle sowie Parteifunktionäre und Beamte im ganzen Land. Im großen Stil wurden Menschen verdeckt oder offen bespitzelt, Briefe wurden abgefangen und Telefongespräche abgehört. Zugleich verstärkte sich die Russifizierung des Landes. Der KGB nutzte die Ukraine als Experimentierfeld, um neue Methoden im Kampf gegen die Opposition zu erproben. Es kam zu rätselhaften Todesfällen: 1970 wurde Alla Horska unter bis heute ungeklärten Umständen ermordet. 1979 wurde der Komponist und Dichter Wolodymyr Iwasjuk erhängt aufgefunden, offiziellen Angaben zufolge hatte er Selbstmord begangen. Nach Wiederaufnahme des Untersuchungsverfahrens machte die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine 2015 den KGB für seinen Tod verantwortlich. Auch die Praxis der Inszenierung von Strafverfahren unter dem Vorwurf von Vergewaltigung, Rowdytum, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder Besitz von Drogen (die den später Angeklagten zum Beispiel im Zuge vorangegangener Wohnungsdurchsuchungen untergeschoben wurden) nahm in diesen Jahren ihren Anfang.
Die repressiven Maßnahmen in der Ukraine wurden mit besonderer Härte durchgesetzt und es wurden düstere Präzedenzfälle geschaffen: Mit Nina Strokata-Karawanska wurde erstmals eine Frau zu langjähriger Straflagerhaft verurteilt. Die 75-jährige Oksana Meschko wurde als erste weibliche Angeklagte im Rentenalter nach Artikel 62 Strafgesetzbuch der Ukrainischen SSR (entspricht Artikel 70 Strafgesetzbuch der RSFSR) schuldig gesprochen, und Raissa Rudenko war die erste Frau, die wegen ihres Einsatzes für die Befreiung ihres aus politischen Gründen inhaftierten Mannes bestraft wurde. Gängige Praxis war die erneute Verhaftung ehemaliger politischer Gefangener, die zuvor für weniger bedeutsame Vergehen eine Strafe verbüßt hatten. So wurden Danylo Schumuk und Jurij Schuchewytsch ihre Manuskripte mit Lagererinnerungen zur Last gelegt.
Eine neue Etappe für die Entwicklung der ukrainischen Oppositionsbewegung begann Ende 1976 mit der Gründung der Ukrainischen Helsinki-Gruppe (UHG). Sie wurde auf Initiative von Pjotr Grigorenko ins Leben gerufen, der selbst aus der Ukraine stammte und Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe war. Unter allen Aktivisten der sogenannten Helsinki-Gruppen waren die Mitglieder der UHG am stärksten von Verhaftungen bedroht. Nach Berechnungen von Wassyl Owsijenko verbrachten 39 der insgesamt 41 UHG-Mitglieder zusammen 550 Jahre in Gefängnissen und Straflagern, in der Verbannung und in psychiatrischen Kliniken. Vier von ihnen, Olexa Tycyjh, Jurij Lytwyn, Walerij Martschenko und Wassyl Stus, kamen in der Haft zu Tode. Mychajlo Melnyk nahm sich am Vorabend seiner Verhaftung das Leben. Viele Oppositionelle traten der UHG während ihrer Zeit im Lager oder in der Verbannung bei, zu der sie aus politischen Gründen verurteilt worden waren.
In der „Helsinki-Etappe“ machte sich die nationale Opposition der Ukraine Methoden und Formen der Auseinandersetzung zu eigen, wie sie für die Menschenrechtsbewegung typisch waren. Für die nonkonformistische ukrainische Intelligenz war die Verteidigung der Menschenrechte eine Idee, die sie unmittelbar ansprach: Die „Kulturschaffenden“ begriffen sie als integralen Bestandteil ihres Denken und Handelns, die „Politiker“ nutzten die auch im Westen verständliche Sprache der Menschenrechtler, um dort größeres Interesse und Verständnis für die nationalen Probleme ihres Landes zu wecken. Im Unterschied zu anderen Helsinki-Gruppen bezog die UHG so gut wie nie Stellung zu Verfolgungen aus religiösen Gründen (nur einmal erklärte sie sich mit den Baptisten solidarisch) oder zu sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Sowohl im Programm der UHG als auch in den 30 weiteren Dokumenten der Gruppe geht es fast ausschließlich um verschiedene Aspekte der nationalen Frage. Gleichwohl stellte sich auch die UHG hinter eine Reihe von Dokumenten der Moskauer Helsinki-Gruppe zu weiterreichenden gesellschaftlichen Themen. 1981 kam die Arbeit der UHG vollständig zum Erliegen. Fast alle ihre Mitglieder befanden sich in Haft, einige wenige im Exil. In der ersten Hälfte der 80er Jahre wurden sämtliche öffentliche Aktionen der ukrainischen Oppositionsbewegung im Keim erstickt. Wie schon in den 50er Jahren agierten die Dissidenten, von Ausnahmen abgesehen, im Untergrund. Immer häufiger erschienen anonyme antisowjetische Flugblätter. Zugleich wurden immer mehr Menschen in psychiatrischen Einrichtungen gefangen gehalten.
Bezeichnenderweise war der Teil der ukrainischen Dissidentenbewegung nach 1972, der sich nicht in Haft befand, nur wenig sichtbar, während die Aktivitäten der politischen Gefangenen in den Straflagern große Aufmerksamkeit erhielten. So schrieb Ljudmila Alexejewa: „Nach 1972 entstand die paradoxe Situation, dass der ukrainische Samisdat nicht von jenen geschaffen wurde, die sich in Freiheit befanden, sondern vor allem von den politischen Gefangenen.“ Häufig gingen Protestaktionen in den Lagern (wie Hungerstreiks, Ausstände, Verzicht auf die sowjetische Staatsbürgerschaft) von den ukrainischen Häftlingen aus. So war Wjatscheslaw Tschornowil Mitinitiator einer Bewegung, die sich für die Anerkennung des Status des politischen Häftlings einsetzte. In diesem Zusammenhang organisierte er verschiedene gemeinschaftliche Aktionen der Gefangenen. Verfasst wurden kollektive oder Einzelpetitionen, und es entstand eine Chronik zum Widerstand in den Straflagern. Die von den Gefangenen angefertigten Dokumente wurden über Verwandte aus den Lagern geschmuggelt und im Samisdat verbreitet. Wenn Informationen über Proteste in den Westen gelangten, fanden sie dort breites Echo und lösten internationale Solidaritätsaktionen aus. Zu den schärfsten Protestformen gehörten Hungerstreiks, an denen sich häufig ganze Gruppen beteiligten. Ab 1974 erinnerten die ukrainischen politischen Häftlinge in dieser Form an den 12. Januar 1972, den Jahrestag des Beginns der Massenverhaftungen in der Ukraine.
Die Aktivitäten der ukrainischen Dissidenten in den Lagern standen in einer gewissen Tradition, die bereits in den stalinistischen Lagern der Nachkriegszeit von ukrainischen Häftlingen begründet worden war. Walerij Martschenko beschrieb es folgendermaßen: „Sie waren es, die die Hauptlast im Kampf gegen den Terror der Stalin- und Berija-Zeit trugen. Jetzt sind sie das Muster, inspirieren und vereinen jene, die ihre Überzeugungen nicht verleugnen wollen, Menschen mit Pflicht- und Ehrgefühl … Die ‚Alteingesessenen‘ mit Urteilen von fünfundzwanzig Jahren Haft – Wassyl Pidhorodezki, W. Pirus, Stepan Mamtschur (†), P. Strozen, W. Solodki, A. Kisselyk – sind es, die den Neuankömmlingen in den Lagern ein anspornendes Beispiel geben.“ („Zur Situation der Gefangenen in den Lagern der UdSSR“ / O položenii zaklučonnych w lagerach SSSR, Dokument Nr. 87 der Moskauer Helsinki-Gruppe)
Nach ihrer Rückkehr aus Lagerhaft und Verbannung nahmen die ukrainischen Dissidenten ihre politische Betätigung wieder auf und stellten sich 1987/88 an die Spitze national-demokratischer und national-radikaler Parteien. 1990 wurde Lewko Lukjanenko Chef der aus der UHG hervorgegangenen Ukrainischen Republikanischen Partei, und Jurij Schuchewytsch übernahm die Führung der extremistischen Ukrainischen Nationalen Selbstverteidigung (UNA-UNSO). In jenen Jahren begann eine neue, postdissidentische Etappe der Bewegung für eine nationale Wiedergeburt der Ukraine, die große gesellschaftliche Unterstützung erfuhr. Diese Etappe endete 1991 mit der Gründung der Ukraine als unabhängiger Staat.
Viele der früheren ukrainischen Dissidenten waren auch nach 1991 politisch und gesellschaftlich aktiv und sind es zum Teil bis heute. 2015 erklärte das ukrainische Parlament die ehemaligen Dissidenten des UHK offiziell zu Unabhängigkeitskämpfern. Da diese Ernennung zugleich den Mitgliedern der umstrittenen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) galt, wurde der Schritt im In- und Ausland kritisch kommentiert.