Glossar

Baltischer Appell

Wichtigstes Dokument der Litauischen Freiheitsliga, das im September 1979 ausgearbeitet, über westliche Massenmedien am 40. Jahrestag der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes verbreitet und an den Generalsekretär der UNO, Kurt Waldheim, die Regierungen der UdSSR, der Bundesrepublik, der DDR und an die Unterzeichnerstaaten der Atlantik-Charta übergeben wurde. Es enthielt die Forderung, den Text des Hitler-Stalin-Paktes einschließlich des geheimen Zusatzprotokolls über die Errichtung von Einflusssphären in Osteuropa zu veröffentlichen, ihn vom Moment seiner Unterzeichnung an für ungültig zu erklären sowie seine Folgen rückgängig zu machen, das heißt die sowjetische Besatzungsarmee aus den baltischen Staaten zurückzuziehen und damit die freie Entwicklung dieser Staaten zu garantieren. Der Appell wurde von 45 unabhängigen Persönlichkeiten unterzeichnet, darunter 37 aus Litauen. In Estland unterschrieben Mart-Olav Niklus, Endel Ratas, Enn Tarto und Erik Udam, in Lettland beteiligten sich Ivars Žukovskis, Juris Ziemelis, Ints Cālītis und Alfreds Zaideks. Unter den russischen Menschenrechtlern schlossen sich Andrei Sacharow, Arina Ginsburg, Tatjana Welikanowa, Malwa Landa und Viktor Nikipelow dem Appell an.

Behörde für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus

Die tschechische Behörde entstand am 1. Januar 1995 durch Zusammenlegung der dem Innenministerium unterstellten Behörde für die Dokumentation und Untersuchung der Tätigkeit der Staatssicherheit (Úřad pro dokumentaci a vyšetřování činnosti StB) und des der Staatsanwaltschaft beziehungsweise später dem Justizministerium zugeordneten Zentrums zur Dokumentation der Widerrechtlichkeit des kommunistischen Regimes (Středisko dokumentace protiprávnosti komunistického režimu). Seit 1. Januar 2002 ist die so geschaffene Behörde für die Dokumentation und Untersuchung der Verbrechen des Kommunismus (Úřad dokumentace a vyšetřování zločinů komunismu; ÚDV) der Ermittlungsabteilung der tschechischen Kriminalpolizei unterstellt. Durch diese institutionelle Anbindung obliegt ihr die Ermittlung und Verfolgung strafbarer Handlungen staatlicher Organe aus der Zeit der kommunistischen Herrschaft zwischen 1948 und 1989, die damals aus politischen Gründen strafrechtlich nicht geahndet wurden.

Die Anzahl der bisher Verurteilten ist nicht hoch, weil entweder keine schriftlichen Beweise zu erbringen sind, die Zeugen mittlerweile verstarben oder sich die Gerichtsprozesse sehr lange hinziehen. Die Behörde ist landesweit tätig, hat ihren Sitz in Prag und eine Außenstelle in Brünn (Brno). Neben der Strafverfolgung liegt ihre zweite Aufgabe darin, das im Kommunismus begangene Unrecht aufzuarbeiten und zu dokumentieren. Hierfür sammelt, beurteilt und publiziert sie Quellen, die Auskunft über die Verbrechen der kommunistischen Machthaber und ihrer Repressionsorgane geben. Seit 1999 nutzt die Behörde auch Dokumente aus der Zeit vom 1. Januar 1945 bis zur kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948. Im Unterschied zum polnischen Institut für Nationales Gedenken (Instytut Pamięci Narodowej; IPN), zum deutschen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) und zum slowakischen Institut für Nationales Gedenken (Ústav pamäti národa; ÚPN) wird die Arbeit der tschechischen Behörde dadurch begrenzt, dass sie über keine eigenen Archive mit Dokumenten aus der Zeit des kommunistischen Repressionsapparates verfügt.

Belarussische Volksfront

Die Ende der 80er Jahre gegründete Belarussische Volksfront (Belaruski Narodny Front, BNF) war die größte und politisch aktivste demokratische Oppositionsbewegung, die sich für die Erlangung der politischen und wirtschaftlichen Souveränität von Belarus einsetzte. Sie hatte ihre Vorbilder in den Volksfronten in Lettland und Estland sowie in der litauischen Sąjūdis. Der Gründungskongress, bei dem Sjanon Pasnjak als Vorsitzender gewählt wurde, fand am 24. und 25. Juni 1989 in Vilnius statt. Die Volksfront spielte zunächst als gesellschaftliche Bewegung, seit 1993 auch als Partei eine große Rolle bei der Erlangung der belarussischen Unabhängigkeit im Dezember 1991 und trug zur nationalen und kulturellen Wiedergeburt in den Jahren 1990 bis 1994 bei. Seit 1994 befindet sich die BNF in radikaler Opposition zum Regime von Aljaksandr Lukaschenka (Alexander Lukaschenko). Mit dem Entstehen neuer oppositioneller Parteien und Gruppierungen verlor sie jedoch nach und nach an Bedeutung – nicht zuletzt auch im Zuge innerparteilichen Auseinandersetzungen, die zu ihrer Spaltung führten.

Berg der Kreuze

Auf einem Hügel in der Nähe des litauischen Dorfes Jurgaičiai bei Šiauliai, den man als Rest einer heidnischen Burg deutete, wurden seit dem Novemberaufstand 1830/1831 im Gedenken an die im Aufstand Getöteten und nach Sibirien Verbannten hölzerne Kreuze errichtet. Die Tradition der Kreuze an dieser Stelle setzte sich fort. Im 20. Jahrhundert erinnerte man hier an die Opfer des Krieges und des stalinistischen Terrors. Der in Litauen als national-religiöses Heiligtum verehrte Berg der Kreuze (Kryžių kalnas) wurde zunächst von den zaristischen, später (1961 und 1973) auch von den sowjetischen Behörden wiederholt zerstört. Im September 1993 besuchte Johannes Paul II. den von den Litauern immer wieder aufgebauten und zu einem Pilgerort gewordenen Hügel, der heute mit mehreren Hunderttausend Kreuzen bedeckt ist.

Bergkarabach

Die südkaukasischen Regionen Bergkarabach und Nachitschewan gehörten seit Beginn des 19. Jahrhunderts zum Russischen Reich. Bewohnt von christlichen Armeniern und muslimischen Aseri entbrannten um die beiden Gebiete regelmäßig ethnische und religiöse Konflikte. Nach dem Zerfall des Russischen Reiches wurden Bergkarabach (auf Armenisch: Arzach) und Nachitschewan zwischen 1918 und 1920 zum Gegenstand territorialer Streitigkeiten zwischen Armenien, Aserbaidschan und der Türkei. Zu sowjetischer Zeit erhielten sie den Status autonomer Gebiete innerhalb der Aserbaidschanischen SSR. Der Beschluss des Gebietssowjets des autonomen Bergkarabach im Februar 1988 über den Austritt aus Aserbaidschan und den Anschluss an Armenien wurde zum Auslöser des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes.

„Beszélő“

Ungarische Untergrund-Zeitschrift, gegründet 1980 von György Petri, Bálint Nagy, Sándor Szilágyi, János Kis, Ferenc Kőszeg, Miklós Haraszti und Gábor Iványi. Zur Redaktion stießen dann später auch Ottilia Solt und Gábor Havas. Der Name der Zeitschrift bedeutet „Besuchszeit“ (wörtlich: der Sprecher, aber auch „Sprechzeit“, das heißt die Zeit, die einem Häftling im Gefängnis zur Verfügung steht, um mit seiner Familie zu sprechen). Die erste Beszélő-Nummer erschien im Oktober 1981.

Das Beszélő-Umfeld bildete von Anfang an ein äußerst aktives Zentrum der demokratischen Opposition. Im Frühjahr 1987 verfassten die Mitarbeiter der Zeitschrift ein politisches Programm, das im Juni desselben Jahres als Sonderheft mit dem Titel Gesellschaftsvertrag (Társadalmi Szersződés) herausgegeben wurde. Die Einleitung zu diesem Programm schloss mit dem Satz: „Kádár muss abtreten.“ 1988 erschien in der Zeitschrift eine Erklärung des Provisorischen Rates des „Netzes Freier Initiativen“ mit dem Titel „Es gibt einen Ausweg“. In dem Text wurden die aktuelle politisch-soziale Lage sowie zukünftige Schritte besprochen.

Bewegung Junges Polen

Die Bewegung Junges Polen (Ruch Młodej Polski; RMP) war eine im Juli 1979 von einer Gruppe junger Menschen aus der Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (ROPCiO) und insbesondere aus dem Umfeld der Zeitschrift „Bratniak“ gegründete politische Gruppierung, die sich in der Tradition rechter Parteien der Vorkriegszeit sah. Sie fühlte sich insbesondere dem national-demokratischen Gedankengut verbunden. In einer am 18. August 1979 verabschiedeten programmatischen Deklaration verwiesen die Unterzeichner auf die Notwendigkeit, sich für die Unabhängigkeit des polnischen Staates und für die Stärkung der nationalen Verbundenheit der Polen einzusetzen, die Menschenrechte zu respektieren, im öffentlichen Leben christliche ethische Normen zu achten sowie die nationale Identität und die nationale Kultur zu pflegen. Hierzu beitragen sollten die Wiedergeburt eines authentischen gesellschaftlichen und politischen Lebens sowie eines modernen, aber zugleich der Tradition verpflichteten politischen Denkens. Zu den Unterzeichnern der Gründungserklärung gehörten Jacek Bartyzel, Piotr Bystrzanowski, Piotr Dyk, Grzegorz Grzelak, Maciej Grzywaczewski, Aleksander Hall, Marek Jurek, Dariusz Kobzdej, Piotr Merecki, Magdalena Modzelewska, Krzysztof Nowak, Bożena Rybicka, Arkadiusz Rybicki, Mirosław Rybicki und Jan Samsonowicz.

Unangefochtene Führungsgestalt der Bewegung Junges Polen war Aleksander Hall. 1979–81 bestanden ein Sprecherrat (Rada Rzeczników, der das Recht hatte, Erklärungen im Namen der Bewegung abzugeben) sowie ein Programmrat (Rada Programowa), dem unter anderen Jacek Bartyzel, Zdzisław Bradel, Aleksander Hall, Marek Jurek, Piotr Merecki, Marian Piłka, Arkadiusz Rybicki und Tomasz Wołek angehörten. Neben dem „Bratniak“ gab die Bewegung Junges Polen auch die Zeitschrift „Polityka Polska“ (Polnische Politik) heraus. Besonders aktiv war die Bewegung in Danziger Studenten- und Gymnasiastenkreisen. Bis 1981 hatte sie etwa 100 Mitglieder. Veranstaltet wurden Selbststudienzirkel, Demonstrationen zu Gedenk- und Jahrestagen sowie andere oppositionelle Aktionen – oft in Zusammenarbeit mit den Danziger Freien Gewerkschaften.

Während des Kriegsrechts stellte die Bewegung Junges Polen ihre Aktivitäten am 18. Januar 1982 ein und unterstellte sich den noch nicht inhaftierten bzw. internierten Vertretern der Solidarność-Führungsgremien. Nach dem Ende des Kriegsrechts bildeten ihre Vertreter das Team der Zeitschrift „Polityka Polska“ und kehrten im September 1988 zur Bezeichnung Bewegung Junges Polen zurück. Aus der Bewegung gingen im Sommer 1989 die Bewegung für Polnische Politik (Ruch Polityki Polskiej) sowie die Partei Christlich-Nationale Union (Zjednoczenie Chrześcijańsko-Narodowe; ZChN) hervor.

Bewegung Transzendentale Meditation

Die Bewegung Transzendentale Meditation (TM) wurde im Westen vom Inder Mahesh Yogi initiiert, genannt auch Maharishi. Sein Anliegen war es, die Meditation als Form geistiger Erneuerung von Individuen und ganzer Gesellschaften zu propagieren. Die Bewegung war von vornherein international angelegt. Die rumänische TM-Organisation gründete Nicolae Stoian, der seit den späten 70er Jahren versuchte, in Bukarest eine TM-Filiale zu etablieren. Es gelang ihm, für die Bewegung einen Teil der Bukarester Kulturelite zu gewinnen, unter anderem den Philosophen Andrei Pleșu und den bekannten Musiker Gheorghe Zamfir. Die Behörden ließen Stoian zunächst gewähren und unterstützte ihn sogar zu einem gewissen Grad. Im September 1981 wurde Stoian jedoch des Landes verwiesen. Noch im April 1982 (die TM-Bewegung war zu diesem Zeitpunkt in Rumänien faktisch nicht mehr aktiv) schloss die Partei Anhänger der Bewegung aus ihren Reihen aus. Fortan mussten sie zumeist schwere und schlecht bezahlte körperliche Arbeit leisten. Die Intellektuellen sahen darin den Beweis für eine weitere Verschärfung der Unterdrückungsmaßnahmen des Regimes, es scheint jedoch, dass für das scharfe Vorgehen der Staatsmacht gegen die TM-Bewegung auch Flügelkämpfe im Machtapparat verantwortlich waren.

Bewegung für Bürgerfreiheit

Die tschechoslowakische „Bewegung für Bürgerfreiheit“ (Hnutí za občanskou svobodu; HOS) entstand am 15. Oktober 1988 mit der Veröffentlichung des Manifestes „Demokracie pro všechny“ (Demokratie für alle), das von 126 Personen, vor allem aus den Reihen der Unterzeichner der Charta 77, unterschrieben wurde. Zu ihnen gehörten Václav Havel, Rudolf Battěk, Pavel Nauman, Jaroslav Šabata, Ladislav Lis, Václav Benda und in der Slowakei Ján Čarnogurský und Miroslav Kusý. In dem Manifest „Demokratie für alle“, das mithilfe von Exiltschechoslowaken im Ausland veröffentlicht werden konnte, bekannte sich die Bewegung für Bürgerfreiheit zum gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Pluralismus. Sie forderte die Abschaffung der führenden Rolle der Kommunistischen Partei, den Abzug der sowjetischen Truppen und freie Gewerkschaften.

Die Staatssicherheit ging am 28. Oktober 1988 gegen diese neue Bürgerbewegung vor, die als Erste klare politische Ziele benannte. Ungefähr 100 Personen wurden für vier Tage festgenommen, gegen einige wurden Strafverfahren eingeleitet und die Staatsmedien organisierten eine Propagandakampagne gegen sie. Die Bewegung für Bürgerfreiheit, die als eine lockere Vereinigung von Gruppen und politischen Klubs entstanden war, entwickelte sich langsam zu einer Art politischer Partei. Jedoch verhinderten gegensätzliche Anschauungen einzelner Strömungen letztendlich die formale Parteigründung. Der Bewegung stand ein vorläufiges Koordinationskomitee vor, in dem die einzelnen Oppositionsgruppen aus Prag, Brünn (Brno) und Bratislava (Pressburg) repräsentiert waren. Im Juni 1989 gründeten sich zunächst ein Prager und anschließend verschiedene Komitees für einzelne Regionen. Anfang November 1989 konstituierte sich die davon unabhängige slowakische „Bewegung für Bürgerfreiheit“ (Hnutie za občiansku slobodu). Sie veröffentlichte Dokumente und Artikel in den Untergrundzeitschriften „Zpravodaj HOS“ (Bericht der HOS) und „Alternativa“.

Bewegung für Rechte und Freiheiten

Als Partei mit deutlich antikommunistischem Charakter ging die Bewegung für Rechte und Freiheiten (Dviženie za prava i svobodi, Türkisch: Hak ve Özgürlükler Hareketi) ging 1990 aus der 1985 gegründeten Türkischen Nationalen Befreiungsbewegung (Tursko nacionalno-osvoboditelno dviženie v Bălgarija) hervor.

Bibó-Festschrift

Die 1.001 Seiten umfassende „Bibó-Festschrift“ (Bibó Emlékkönyv) ist eine Aufsatz-Sammlung, die 1981 in Ungarn zum 70. Geburtstag des bedeutenden Vordenkers und Ministers in der Regierung von Imre Nagy, István Bibó, erscheinen sollte. Bibó verstarb jedoch 1979, sodass aus der Festschrift eine Gedenkschrift wurde, die 1980 in einem Untergrundverlag erschien, um das Andenken an István Bibó zu erhalten. In dem Werk finden sich Beiträge von Sándor Csoóri, Árpád Göncz, Gyula Illyés, János Kis, Miklós Mészöly, György Petri, Gáspár, Miklós Tamás, Mihály Vajda und anderen. Unter den Autoren waren sowohl Vertreter der liberal orientierten als auch der national orientierten Opposition.

„Biuletyn Informacyjny”

Das „Biuletyn Informacyjny. Aktualności życia publicznego“ (Informationsbulletin. Aktuelles aus dem öffentlichen Leben) war eine unabhängige Schrift, die zwischen 1976 und 1980 an der Zensur vorbei im Umfeld des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) bzw. ab 1977 des Komitees für Gesellschaftliche Selbstverteidigung „KOR“ (KSS „KOR“) in Warschau herausgegeben wurde. Die erste Ausgabe der Zeitschrift erschien am 30. September 1976, die letzte (Nr. 41) im Herbst 1980. Der Titel des Blattes knüpfte an die Tradition einer Zeitschrift an, die während der deutschen Besatzung von der Heimatarmee herausgegeben worden war.

In ihrem in jeder Ausgabe wieder abgedruckten Leitartikel formulierten die Herausgeber die Ziele des „Biuletyn Informacyjny“: Durchbrechen des durch die Zensur zementierten staatlichen Informationsmonopols im Land, Aufklärung über den Charakter und den Umfang der Unterjochung der Gesellschaft durch die Herrschenden. Weiter hieß es: „Die Verbreitung des ‚Biuletyn‘ ist ein Akt der Verteidigung der Bürgerrechte, ist die Inanspruchnahme dieser Rechte.“

Die Zeitschrift erschien in der Regel einmal im Monat. Berichtet wurde über alles, was mit der Tätigkeit des KOR und der gesamten Opposition im Zusammenhang stand. In der Anfangsphase war das „Biuletyn“ ein typisches Samisdat-Heft, das von denjenigen, denen es gerade in die Hände fiel, in mehreren Exemplaren auf der Schreibmaschine abgetippt und weiterverbreitet wurde. Erst ab Nummer 7 begann man mit dem Einsatz von Vervielfältigungsapparaten. Die Stammbesetzung der Redaktion wurde in Nummer 9 (März 1977) vorgestellt: Seweryn Blumsztajn (als faktischer Chefredakteur), Jan Lityński und Joanna Szczęsna. Zuvor hatten auch Antoni Libera und Adam Wojciechowski für das „Biuletyn“ gearbeitet. In den folgenden Jahren gehörten außerdem zur Redaktion: Stanisław Barańczak, Przemysław Cieślak, Eugeniusz Kloc, Anka Kowalska, Wojciech Ostrowski, Janusz Przewłocki, Barbara Toruńczyk und Jan Walc. Zofia und Zbigniew Romaszewski waren im „Biuletyn“ insbesondere für die Dokumentierung von Menschenrechtsverletzungen in Polen verantwortlich.

In der letzten Phase seiner Existenz erreichte die Auflage des „Biuletyn“ mehrere Tausend Exemplare. Mit der Zeit wurde das Blatt immer umfangreicher, es enthielt nun auch publizistische Texte und Reportagen, sogar Bilder wurden abgedruckt. Zu den Autoren des „Biuletyn“ zählten die bekannten Journalisten Kazimierz Dziewanowski und Jerzy Zieleński, die Historiker Jerzy Holzer und Maria Turlejska, der Wirtschaftsfachmann Waldemar Kuczyński sowie der Dichter und Literaturwissenschaftler Stanisław Barańczak. Informiert wurde auch über wichtige Ereignisse im Ausland, besonders über die politische Lage in den anderen Ländern Ostmitteleuropas und über die Aktivitäten der oppositionellen Gruppen. Im Herbst 1980 konzentrierten die meisten „Biuletyn“-Redakteure ihre Arbeit darauf, Pressemedien für die Solidarność zu schaffen.

Bleiburg

Ortschaft im österreichischen Kärnten unweit der Grenze zu Slowenien. Dort schickten die Briten im Mai 1945 rund 200.000 jugoslawische Kriegsflüchtlinge zurück nach Jugoslawien und lieferten sie damit den Partisanenverbänden von Josip Broz Tito aus. Überwiegend handelte es sich um Angehörige kroatischer Ustascha-Verbände sowie Slowenische Domobranzen und kroatische Domobrani, also Angehörige mit den Deutschen verbündeter militärischer Hilfstruppen. Hinzu kamen slowenische und kroatische Verwaltungsbeamte, die mit den Besatzern kollaboriert hatten, Politiker der antifaschistischen und antikommunistischen Opposition, aber auch Zivilpersonen. In Bleiburg lagerten außerdem 27.000 Angehörige russischer Kosakenverbände, die an der Seite der Deutschen gekämpft hatten. Sie alle hatten sich den alliierten Truppen ergeben wollen und gehofft, auf diese Weise in die Emigration zu gelangen. Der britische Regierungsvertreter Harold Macmillan entschied jedoch, sie nach Jugoslawien zurückzuschicken. Zu den ersten Massakern kam es noch in der unmittelbaren Umgebung von Bleiburg, wo Tito-Verbände mit Unterstützung der Artillerie zwischen 30.000 und 50.000 Menschen töteten. Die verbliebenden Flüchtlinge wurden auf Todesmärsche in Richtung Zagreb geschickt, die in der kroatischen Historiografie auch als „Kreuzweg“ bezeichnet werden. Insgesamt töteten die neuen kommunistischen Machthaber dort im Sommer 1945 zwischen 250.000 und 300.000 aus Bleiburg und Umgebung kommende entwaffnete Soldaten und Zivilpersonen. Im Bewusstsein der kroatischen Gesellschaft, die die größten Opferzahlen zu beklagen hatte, währte das Trauma dieser Nachkriegsmonate bis zum Beginn des neuen Jahrtausends. Lange Zeit erschwerte es die Zusammenarbeit von (selbst national gesinnten) Kommunisten und jenen, die sich als Erben der in Bleiburg ermordeten Generation begriffen. Erste Anzeichen einer Aussöhnung im Namen des gemeinsamen nationalen Interesses gab es im Zuge des Kroatischen Frühlings. Ein weiterer Schritt waren die Schriften von Franjo Tuđman. Einst unter Tito zum General befördert, wurde der Historiker (und spätere Staatspräsident Kroatiens) in den 70er Jahren wegen seiner systemkritischen Äußerungen verhaftet. In den 80er Jahren initiierte er eine Reihe von Versöhnungstreffen mit Ustascha-Exilanten. Großen Anteil an der Überwindung des mit Bleiburg verbundenen Traumas hatten die Erlangung der Unabhängigkeit Kroatiens und die Erfahrung des neuen Krieges Anfang der 90er Jahre. Das gewaltige Ausmaß der kommunistischen Verbrechen an den Besiegten in Bleiburg wurde durch die 1999–2001 bei Maribor entlang der Strecken der einstigen Todesmärsche entdeckten 296 Massengräber mit den sterblichen Überresten von rund 180.000 Menschen bestätigt. Das Opfergedenken ist heute stark durch ultranationalistisch-faschistische Kräfte geprägt, deren Teilnahme an Gedenkveranstaltungen immer wieder zu Protesten und Auseinandersetzungen führt.

Bombenanschläge in der Moskauer Metro

Am 8. Januar 1977 starben in Folge von Explosionen in der Moskauer U-Bahn und an zwei anderen Orten der Stadt sieben Menschen, mehr als 30 wurden verletzt. Ein sowjetischer Journalist veröffentlichte in einer englischen Zeitung einen Artikel in dem suggeriert wurde, dass an den Terrorakten sowjetische Dissidenten beteiligt waren. Die Moskauer Helsinki-Gruppe gab eine Erklärung heraus, in der sie diese Vermutung zurückwies und die Terrorangriffe verurteilte. Im Herbst 1977 wurden der ehemalige politische Häftling Stepan Zatikjan sowie Hakop Stepanjan und Sawen Bagdassarjan verhaftet. Der Prozess fand geheim statt. Der Oberste Gerichtshof verurteilte alle Anklagten zum Tode. Das Urteil wurde vollstreckt.

Andrei Sacharow und die Mitglieder der Moskauer Helsinki-Gruppe verwiesen auf die Verletzung der Menschenrechte im Verlauf des Untersuchungsverfahrens und des Prozesses und zweifelten die Rechtmäßigkeit der Urteile an. Malwa Landa führte eine unabhängige Untersuchung durch, die zu dem Schluss kam, dass die Hingerichteten nicht für die Bombenanschläge verantwortlich waren. Anfang der 90er Jahre wurde vergebens versucht, den Fall neu zu verhandeln. Die russischen Behörden erklärten das Urteil jedoch weiterhin für rechtskräftig.

„Botschaft an die arbeitenden Menschen Osteuropas“

Der Erste Landeskongress der Solidarność verabschiedete am 8. September 1981 in Danzig eine „Botschaft an die arbeitenden Menschen Osteuropas“ (Posłanie do ludzi pracy Europy Wschodniej). Autoren dieses Dokuments, in dem die Menschenrechtsbewegungen in den Ländern des Ostblocks unterstützt wurden, waren Jan Lityński, Henryk Siciński und Bogusław Śliwa. Ihre Unterstützung deklarierten auch Jerzy Buzek, Andrzej Gwiazda, Antoni Pietkiewicz und Jerzy Stępień.

Mit überwältigender Mehrheit der Delegiertenstimmen wurde folgender Text bestätigt: „Die in Danzig versammelten Delegierten des Ersten Landeskongresses der Unabhängigen Selbstverwalteten Gewerkschaft Solidarność senden den Arbeitern Albaniens, Bulgariens, der Tschechoslowakei, der Deutschen Demokratischen Republik, Rumäniens, Ungarns sowie den Völkern der Sowjetunion solidarische Grüße. Als erste unabhängige Gewerkschaft in unserer Nachkriegsgeschichte spüren wir das gemeinsame Band, das uns verbindet. Wir sind eine im Ergebnis von Arbeiterstreiks entstandene Arbeitnehmerorganisation mit zehn Millionen Mitgliedern. Unser Ziel ist der Kampf um die Verbesserungen der Lebensbedingungen aller arbeitenden Menschen. Wir erklären uns solidarisch mit denjenigen unter euch, die den schwierigen Kampf um eine freie Gewerkschaftsbewegung aufgenommen haben. Wir sind fest davon überzeugt, dass sich schon bald eure und unsere Gewerkschaftsvertreter zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch treffen werden können.“

Die Botschaft wurde von den kommunistischen Machthabern Volkspolens und anderer Staaten des Warschauer Paktes scharf verurteilt: „Das ist ein gefährliches und provokatives Dokument. […] Seine Autoren wollen in den sozialistischen Ländern Verwirrung schaffen und dadurch verschiedentliche Abspaltungstendenzen fördern […]“, erklärte KPdSU-Chef Leonid Breschnew. Ein Dankesbrief hingegen traf aus Rumänien ein: „Diese Botschaft hat uns mit Freude erfüllt und stärkt unsere Freundschaft. Wir stehen auf eurer Seite“, schrieb der Arbeiter Iulius Filip aus Klausenburg (Cluj-Napoca) an den Landeskongress der Solidarność. Iulius Filip wurde dafür zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Jan Skórzyński

„Bratislava/nahlas“

Die Samisdatveröffentlichung „Bratislava/nahlas“ (Bratislava/laut) aus dem Jahr 1987, die vom Slowakischen Bund der Naturschützer herausgegeben wurde. Die Publikation informierte über das bis dahin nicht bekannte Ausmaß der Umweltverschmutzung in der Umgebung Bratislavas und war gleichzeitig eine Kritik an den bestehenden politischen Verhältnissen. Zu den Autoren gehörten erklärte Regimegegner wie Ján Budaj und Martin M. Šimečka. Aber auch einige Personen aus dem damaligen „Establishement“ unterstützten diese Veröffentlichung, zum Beispiel der Abgeordnete des Slowakischen Nationalrats und Schriftsteller Vladimír Mináč. Die offiziellen Medien reagierten mit scharfer Kritik auf die Publikation. Die Machthaber warfen den Autoren Rechtsbruch vor und versuchten, Gründe für eine Anklage gegen sie zu finden. Einige der Autoren wurden von der Staatssicherheit überwacht, mehrere verloren ihre Arbeit.

„Bratislavské listy“

Samisdatzeitschrift, die ab 1988 in Bratislava (Pressburg) von Ján Langoš und Ján Čarnogurský herausgegeben wurde. Gleich in der ersten Ausgabe bekannte sich die Redaktion zu den Grundsätzen des Christentums – die Zeitschrift war aber nie Organ irgendeiner kirchlichen Einrichtung – und zum Modell der westlichen Demokratien. Anders als bei der Herausgabe früherer Samisdatzeitschriften informierte Ján Čarnogurský im Juli 1988 offiziell das slowakische Kulturministerium über die Gründung dieser neuen Zeitschrift. Die „Bratislavské listy“ (Pressburger Blätter) sollten ein Forum sein, um in nationalen und europäischen Bezügen offen über die gesellschaftlichen und staatlichen Probleme sowie über Visionen für die Zukunft zu diskutieren, die sich auf die christliche Ethik stützten. Die „Pressburger Blätter“ bekannten sich zur geistesgeschichtlichen Tradition Europas und ließen auch verschiedene Vertreter des politischen Exils zu Wort kommen, da sie die im Exil lebenden Slowaken als integralen Teil der Gesellschaft betrachteten.

Die Texte kamen vor allem aus den thematischen Bereichen der Geschichte, Politik, Kultur, Philosophie, Religion und Wirtschaft und diskutierten Themen, die in den offiziellen Medien umgangen wurden. In der Zeitschrift wurden auch kritische Analysen zur Lage der Kirche und Gesellschaft in der Slowakei veröffentlicht. Sie druckte außerdem Dokumente ab, die über die Lage der Menschenrechte, über die vom Staat verübte Gewalt und über Kulturveranstaltungen informierten. In einzelnen Texten wurden Forderungen erhoben, bessere Bedingungen für das Privatunternehmertum zu schaffen und Bauern die Möglichkeit zu geben, aus den landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften auszutreten.

Zu den regelmäßigen Autoren gehörten überwiegend Vertreter mit christlicher Orientierung wie beispielsweise Ján Čarnogurský, sein Bruder Ivan, František Mikloško, Ján Langoš, Ivan Hoffman, Anton Selecký, Vladimír Palko und Václav Benda. Als Exilautoren publizierten dort vor allem Boris Lazar und Imrich Kružliak. Die Zeitschrift kooperierte auch mit Vertretern aus dem Umfeld der bürgerlichen Opposition wie etwa Jozef Jablonicki, Milan Šimečka und Martin M. Šimečka. Zwischen 1988 und 1989 erschienen insgesamt fünf Bände, die im Offsetdruck hergestellt wurden. Heute erscheint die Zeitschrift unter dem Namen „Listy“ (Blätter).

Brüderlichkeit und Einheit

Das Motto „Brüderlichkeit und Einheit“ (Bratstvo i Jedinstvo) galt als Versinnbildlichung des grundlegenden Prinzips der Nationalitätenpolitik des sozialistischen Jugoslawiens. Im Unterschied zur Vorkriegszeit betrachtete die kommunistische Politik (neben kulturellen und klassenbedingten) nun auch nationale Unterschiede als ein gegebenes und nicht veränderbares Phänomen. Einer der Hauptpfeiler des kommunistischen Jugoslawiens war somit, den Völkern Jugoslawiens das Recht auf Entfaltung der eigenen nationalen Identität einzuräumen, nicht aber ohne die nationalen Bestrebungen der einzelnen Teilrepubliken in „brüderlicher“ Balance zu halten. Das Motto „Einheit“ wiederum diente der Erhaltung des Machtmonopols der Partei als der nationale Unterschiede überwindenden Kraft. Der Kampf gegen „Nationalismus“ einerseits und „Zentralismus“ andererseits war eine feste Größe in Titos Politik. Deren Krönung und zugleich Vermächtnis sollte die Verfassung von 1974 sein,

Bürgerforum

Die Gründung des Bürgerforums (Občanské fórum; OF) am 19. November 1989 im Prager Schauspielklub (Činoherní Klub) war eine Reaktion auf die gewaltsame Niederschlagung der Studentendemonstration am 17. November 1989 zwei Tage zuvor. In der damaligen Situation war bereits klar, dass es zu grundlegenden gesellschaftspolitischen Veränderungen kommen würde. Die Entstehung des Bürgerforums ging von einer Gruppe von Bürgerrechtlern aus dem Umfeld Václav Havels aus. Ihr Ziel war die Schaffung eines breiten Bündnisses, das zum einen in der Lage sein sollte, „spontan“ zu reagieren, und zum anderen über eine feste Organisationsstruktur verfügen sollte, um politisches Chaos im Land zu verhindern. Außerdem sollte das Bündnis über eine repräsentative Führung verfügen, die Einfluss auf die Ereignisse nehmen und mit den Machthabern in Verhandlungen treten konnte.

Das Bürgerforum und die slowakische Bürgerrechtsbewegung Öffentlichkeit gegen Gewalt (Verejnosť proti násiliu; VPN) übernahmen innerhalb weniger Wochen die politische Macht in der Tschechoslowakei. Durch zahlreiche Kooptationen erlangten ihre Vertreter Schlüsselpositionen in den gesetzgebenden Organen. In der am 10. Dezember 1989 einberufenen „Regierung der nationalen Verständigung“ unter Marián Čalfa wurden die Ministerämter zwischen ehemaligen Regierungsvertretern und Oppositionellen aufgeteilt. Bei den ersten freien Wahlen im Juni 1990 erhielt das Bürgerforum mehr als 50 % der Stimmen. Im Februar 1991 splittete es sich in einen liberal-demokratischen Flügel mit dem Namen „Bürgerbewegung“ (Občanské hnutí) und in einen konservativen Flügel unter der Bezeichnung „Demokratische Bürgerpartei“ (Občanská demokratická strana) auf.

Bürgerkomitee

Am 18. Dezember 1988 gebildetes gesellschaftliches Gremium, das die politische Vertretung der inoffiziellen Gewerkschaft Solidarność und der mit ihr zusammenarbeitenden Organisationen und Ideenschmieden darstellte. Der Gründung des Bürgerkomitee beim Vorsitzenden der Solidarność Lech Wałęsa (Komitet Obywatelski przy Przewodniczącym NSZZ „Solidarność“ Lechu Wałęsie) vorangegangen waren etliche Beratungen von der Solidarność nahestehenden Beratern und Intellektuellen, von denen die erste am 31. Mai 1987 unmittelbar vor dem Besuch von Papst Johannes Paul II. in seiner polnischen Heimat stattfand. Aus diesem Anlass wurde eine von 63 Personen unterzeichnete Erklärung verabschiedet, in der zur Aufnahme eines politischen Dialogs in Polen aufgerufen wurde. Gefordert wurden die staatliche Unabhängigkeit Polens, Freiheit, Demokratie, die Achtung des Rechts sowie Spielraum bei der selbstständigen Gestaltung der Wirtschaft. Bei den weiteren Zusammenkünften dieses Kreises, der ganz einfach „Kreis der 60“ genannt wurde, ging es bereits um die Perspektiven zur Umsetzung dieser Ziele, wobei besonderer Nachdruck auf notwendige ökonomische Reformen gelegt wurde, die mit der Rückkehr der Solidarność in die Politik und mit einer Demokratisierung der gesamten politischen Sphäre einhergehen sollte.

Die Gründung des Bürgerkomitees stand auch im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf die Gespräche am Runden Tisch und der Notwendigkeit, Verhandlungsdelegationen und Arbeitsgruppen für diese Gespräche zu etablieren. Das Bürgerkomitee hatte damals 135 Mitglieder, jedoch keinen Vorsitzenden, lediglich mit Bronisław Geremek einen Sekretär. Es wurden 15 Ausschüsse eingesetzt, die in den anstehenden Verhandlungen mit den Vertretern des Regierungslagers die Standpunkte der Solidarność repräsentieren sollten.

Nachdem die Gespräche am Runden Tisch abgeschlossen waren, wurde aus dem Bürgerkomitee das Bürgerkomitee „Solidarność“, dessen Hauptaufgabe es war, den Wahlkampf vorzubereiten und die Kandidatenlisten der Opposition aufzustellen.

Nach den halbfreien Wahlen am 4. Juni 1989 verlagerte sich das politische Machtzentrum vom Bürgerkomitee auf seine Vertretung im neugewählten Sejm, den Parlamentarischen Bürgerklub (Obywatelski Klub Parlamentarny). Zu seinen aktivsten Mitstreitern gehörten Bronisław Geremek, Tadeusz Mazowiecki, Andrzej Wielowieyski, Witold Trzeciakowski, Adam Michnik, Jacek Kuroń, Henryk Wujec und Władysław Frasyniuk.

Andrzej Friszke

Brief Alexander Solschenizyns zur Zensur

Berühmter Text der Samisdat-Publizistik in der Sowjetunion. Mitte Mai 1967 richtete Alexander Solschenizyn einen offenen Brief an die Delegierten des IV. Schriftstellerkongresses der UdSSR, zu dem er selbst nicht delegiert worden war, sowie an Redaktionen von Literaturzeitschriften und an mehrere Hundert Schriftsteller im ganzen Land. Darin unterbreitete er den Vorschlag, eine Diskussion über den „unerträglichen Druck, dem unsere Literatur seitens der Zensur ausgesetzt ist“ zu eröffnen und Verpflichtungen zu formulieren, denen sich der Schriftstellerverband unterwerfen solle, um seine Mitglieder vor staatlichen Verfolgungen zu schützen. Er informierte über die Beschlagnahmung seines persönlichen Archivs, das Publikationsverbot und über die von hohen Funktionsträgern verbreiteten Verleumdungen seiner Person. Der Brief wurde auf dem Kongress nicht öffentlich verlesen, aber in persönlichen Gesprächen umfassend diskutiert. In einem kollektiven Appell unterstützten 80 Schriftsteller das Anliegen Alexander Solschenizyns; zahlreiche weitere Personen erklärten individuell ihre Zustimmung. Der Brief zur Zensur fand im Samisdat weite Verbreitung und gelangte ins Ausland, von wo aus er wiederholt von Radiosendern, die in die Sowjetunion hineinsendeten, wiedergegeben wurde. Er wurde auch auf dem Schriftstellerkongress der Tschechoslowakei verlesen und spielte bei der Aufhebung der Zensur während des Prager Frühlings eine gewisse Rolle.

Brief an das Präsidium des Beratungstreffens der kommunistischen und Arbeiterparteien in Budapest

Einer von zahlreichen oppositionellen Aufrufen des Jahres 1968 in der Sowjetunion. Der Text vom 24. Februar 1968 fand im Samisdat große Verbreitung, eine Kopie wurde an das ZK der KPdSU gesandt. Nach dem Appell an die Weltöffentlichkeit (K mirovoj obščestvennosti) war der Brief der zweite Appell, der an internationale und in diesem Fall auch kommunistische Institutionen adressiert wurde, und gleichzeitig die erste gemeinsame, öffentliche Erklärung der Moskauer Menschenrechtler.

Unterschrieben wurde der Appell von elf Intellektuellen aus Moskau: Alexei Kosterin, Larissa Bogoras, Pjotr Jakir, Boris Schragin, Pawel Litwinow, Wiktor Krassin, Anatoli Lewitin-Krasnow, Juli Kim, Juri Glasow, Pjotr Grigorenko sowie der Ärztin Sampira Asanowa aus Usbekistan und einem Mitglied der krimtatarischen Bewegung. Die Unterzeichner beabsichtigten, die Aufmerksamkeit der kommunistischen Weltbewegung auf die eklatanten Rechtsverletzungen in der Sowjetunion im Rahmen der aktuellen politischen Prozesse zu lenken sowie auf die Repressionen gegen protestierende Gruppierungen und die unmenschlichen Bedingungen, unter denen politische Häftlinge in der UdSSR festgehalten wurden, hinzuweisen. Besondere Erwähnung fand die Diskriminierung kleinerer Völker wie etwa die der Krimtataren.

Brief der 101

Ein auf den 31. Januar 1976 datiertes Schreiben an den Verfassungsausschuss des polnischen Parlaments, in dem gegen die geplante Neufassung der Bürgerrechte in der Verfassung protestiert wurde. Die Gewährung von Bürgerrechten sollte von der Erfüllung bestimmter Pflichten gegenüber dem Staat abhängig gemacht werden. In dem Schreiben hieß es, die Durchsetzung dieser Rechte dürfe nicht offiziell durch Bedingungen eingeschränkt werden. Ein Inkrafttreten der geplanten Verfassungsänderungen wäre „ein entscheidender Schritt in Richtung einer gesetzlich verankerten Totalisierung des gesamten Lebens in Polen“. Den „Brief der 101“ unterzeichneten vor allem Kulturschaffende: Schriftsteller, Wissenschaftler und Künstler wie Jerzy Andrzejewski, Jacek Bocheński, Kazimierz Brandys, Mieczysław Jastrun, Zdzisław Najder, Jarosław Marek Rymkiewicz und Wiktor Woroszylski.

Jerzy Jackl

Brief der 14

Ein im Januar 1976 an das polnische Parlament (Sejm) gesandter Brief, in dem die sich formierende demokratische Opposition gegen die Pläne protestierte, das „unverbrüchliche Bündnis“ mit der Sowjetunion in der polnischen Verfassung festzuschreiben. Der Text des Briefes wurde von Jan Olszewski , Antoni Pajdak, Stanisław Szczuka und Wojciech Ziembiński erarbeitet. Ohne die Rechtmäßigkeit der vertraglichen internationalen Verpflichtungen Polens infrage zu stellen, protestierten die Autoren des Briefes dagegen, diesen Verpflichtungen einseitig den Rang einer Verfassungsnorm zu geben, denn damit „reduziere sich die Rolle der Volksrepublik Polen auf die eines Staates mit formal eingeschränkter Souveränität“.

Außer den Autoren selbst unterzeichneten den Brief noch 14 weitere Persönlichkeiten (daher der Name „Brief der 14“): Stefan Amsterdamski, Władysław Bartoszewski, Ludwik Cohn, Jerzy Ficowski, Maryla Hopfinger, Jacek Kuroń, Edward Lipiński, Jan Józef Lipski, Zdzisław Łapiński, Adam Michnik, Zbigniew Raszewski, Antoni Słonimski, Aniela Steinsbergowa und Jacek Trznadel. Der Brief wurde am 22. Januar 1976 an den Sejm gesandt, blieb jedoch ohne Antwort. Separat wurde er noch von General Mieczysław Boruta-Spiechowicz und von Julian Kulski unterzeichnet.

Jerzy Jackl

Brief der 34

Ein am 14. März 1964 an den polnischen Premierminister Józef Cyrankiewicz gerichteter Brief von 34 Schriftstellern und Wissenschaftlern, in dem diese gegen die immer stärker um sich greifende Zensur sowie gegen die Beschränkung von Papierkontingenten für den Druck von Büchern und Zeitschriften protestierten. Initiator und Autor war der Schriftsteller Antoni Słonimski. Zu den Unterzeichnern gehörten Jerzy Andrzejewski, Maria Dąbrowska, Leopold Infeld, Paweł Jasienica, Stefan Kisielewski, Tadeusz Kotarbiński, Edward Lipiński, Jan Parandowski, Władysław Tatarkiewicz, Jerzy Turowicz, Melchior Wańkowicz, Adam Ważyk, Kazimierz Wyka und Jerzy Zagórski. Die Unterzeichner forderten das Recht auf Kritik, freie Diskussion und umfassende Information sowie eine Liberalisierung der staatlichen Kulturpolitik.

Die Antwort der Machthaber ließ nicht lange auf sich warten und umfasste vor allem Veröffentlichungs- und Redeverbote für die Unterzeichner. Jan Józef Lipski, der Unterschriften für den Brief gesammelt hatte, wurde für zwei Tage in Polizeigewahrsam genommen. Der Preis, den die Zeitschrift „Tygodnik Powszechny“ für die Unterschrift ihres Chefredakteurs Jerzy Turowicz zahlen musste, war eine Reduzierung der Auflage um ein Viertel. Ihre Solidarität mit den Unterzeichnern des „Briefes der 34“ bekundeten auf einer Demonstration im April 1964 auch Studenten der Warschauer Universität sowie zahlreiche Schriftstellerverbände und wissenschaftliche Organisationen aus Westeuropa und den USA.

Das Regime brachte einen Gegen-Brief auf den Weg, den etwa 600 Mitglieder des Bundes Polnischer Literaten unterschrieben hatten. Im Herbst 1964 wurde Melchior Wańkowicz festgenommen und dann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er im Zusammenhang mit dem „Brief der 34“ Kontakt mit Radio Freies Europa aufgenommen hatte.

Jan Skórzyński

Brief der 59

Ein am 5. Dezember 1975 von Professor Edward Lipiński in der Kanzlei des polnischen Parlaments eingereichtes Protestschreiben gegen die beabsichtigten Verfassungsänderungen in Polen, in dem zugleich die Ziele und Prinzipien der sich formierenden demokratischen Opposition formuliert waren. Initiator des Briefes war Jan Olszewski , der diesen auch gemeinsam mit Jacek Kuroń und Jakub Karpiński verfasst hatte. Unter Berufung auf die KSZE-Konferenz in Helsinki wurden folgende Forderungen formuliert: Gewissens- und Religionsfreiheit, vom Staat unabhängige Gewerkschaften, Streikrecht, die Abschaffung der präventiven Zensur, die Freiheit der Wissenschaft, Parlamentswahlen nach dem sogenannten Fünf-Attribute-Wahlrecht (allgemein, geheim, gleich, direkt und proportional), unabhängige Gerichte.

Der Brief wurde zunächst von 59 Personen unterzeichnet (daher der Name), später kamen noch sieben Unterzeichner hinzu. Zu den Unterzeichnern gehörten Intellektuelle, Wissenschaftler, Schriftsteller, Künstler und Geistliche, darunter waren Stefan Amsterdamski, Stanisław Barańczak, Ludwik Cohn, Andrzej Drawicz, Zbigniew Herbert, Jakub Karpiński, Jan Kielanowski, Leszek Kołakowski, Marcin Król, Ryszard Krynicki, Jacek Kuroń, Edward Lipiński, Jan Józef Lipski, Pfarrer Stanisław Małkowski, Adam Michnik, Halina Mikołajska, Jan Olszewski , Antoni Pajdak, Pater Jacek Salij, Władysław Siła-Nowicki, Antoni Słonimski, Aniela Steinsbergowa, Wisława Szymborska, Jacek Trznadel, Pfarrer Jan Zieja und Wojciech Ziembiński. Eine Antwort auf das Schreiben blieb aus.

Jerzy Jackl, Jan Skórzyński

Brief der Mathematiker

Einer der zahlreichen oppositionellen Aufrufe des Jahres 1968 in der Sowjetunion, der am 9. März 1968 kurz nach der wiederholten Zwangseinweisung des Mathematikers, Dichters und Menschenrechtlers Alexander Jessenin-Wolpin in eine psychiatrische Klinik verfasst und verbreitet wurde. Initiatorin des Briefes war Irina Kristi. Das Schreiben richtete sich an den sowjetischen Gesundheitsminister, den Generalstaatsanwalt und den leitenden Moskauer Psychiater. Die Autoren hoben die hohe Qualität der mathematischen Arbeiten des Wissenschaftlers hervor und protestierten gegen die Zwangspsychiatrisierung. Mehr als hundert bekannte sowjetische Mathematiker, Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, Professoren und Doktoren unterzeichneten den Brief. Er fand im Samisdat weite Verbreitung, wurde im Ausland veröffentlicht und in ausländischen Rundfunksendern verlesen. Viele der Unterzeichner waren anschließend Repressionen wie dem Verlust des Arbeitsplatzes oder dem Ausschluss aus der KPdSU ausgesetzt.

Brief der Sechs

Initiative von rumänischen Parteifunktionären, die Parteichef Nicolae Ceaușescu 1989 nahelegten, den Kurs seiner Politik zu ändern. Die Unterzeichner des Briefes der Sechs (Scrisoarea celor Șase) waren Gheorghe Apostol (Erster Sekretär des ZK in den Jahren 1954/55 und Regierungschef 1955–61), Alexandru Bârlădeanu (Vizepremier in den Jahren 1955–65 und 1967–69), Silviu Brucan (Chefredakteur des Parteiorgans „Scânteia“ in den Jahren 1944–56), Corneliu Mănescu (Außenminister in den Jahren 1961–72), Constantin Pârvulescu (Erster Sekretär des ZK 1944) und Grigore Ion Răceanu (namhafter Aktivist der kommunistischen Bewegung). Ursprünglich war eine größere Zahl von Unterzeichnern geplant, jedoch lehnten viele – wahrscheinlich aus Angst – eine Unterstützung der Initiative ab.

Am 10. März 1989 wurde der Wortlaut des Briefes im rumänischsprachigen Programm der BBC verbreitet, am 13. März 1989 verlas ihn auch die Rumänien-Redaktion von Radio Freies Europa. Die Unterzeichner beriefen sich auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki und verlangten sofortige Reformen, die Einstellung des Programms zur Systematisierung der Dörfer und ein Zurückfahren repressiver Maßnahmen. Ceaușescus Rücktritt forderten sie dagegen nicht, sondern betonten ihre Bereitschaft zum Dialog mit der Staatsmacht. Kaum war der Inhalt des Briefes im Rundfunk verbreitet worden, setzten Repressionsmaßnahmen der rumänischen Behörden ein. Brucan, Bârlădeanu, Mănescu und Pârvulescu wurden unter Hausarrest gestellt, Apostol und Răceanu festgenommen. Nach dem Sturz Ceaușescus traten einige der Unterzeichner der Nationalen Rettungsfront bei, spielten dort jedoch keine größere Rolle. Nur Brucan gehörte eine gewisse Zeit lang zum engeren Führungskreis der Nationalen Rettungsfront und wurde in späteren Jahren zu einem hochgeschätzten politischen Kommentator.

Bulgarische Sozialdemokratische Partei

Die Bulgarische Sozialdemokratische Partei (Bălgarska socialdemokratičeska partija) wurde 1891 gegründet und nannte sich ab 1894 Bulgarische Sozialdemokratische Arbeiterpartei. 1903 spaltete sie sich in sogenannte Breite Sozialisten und Enge Sozialisten. Erstere trugen nach 1945 den Zusatz „Vereinigte“ im Namen und wurden 1948 aufgelöst. 1989 wurde die Bulgarische Sozialdemokratische Partei reaktiviert.

Bulgarischer Bauernvolksbund

Der Bulgarische Bauernvolksbund (Bălgarska zemedelski naroden săjuz; BZNS) wurde 1899 gegründet. 1922 ging aus seinem rechtsextremen Flügel die bewaffnete Formation Orange Garde hervor. 1926 spaltete sich der Bund in zwei Teile: in den BZNS (Orange), der später eine Blockparteifunktion an der Seite der Bulgarischen Kommunistischen Partei übernehmen sollte, und in den BZNS „Wrabtscha 1“, der den Charakter einer Massenorganisation hatte. Ab 1932 existierte außerdem der BZNS „Pladne“ unter Führung von Georgi M. Dimitrow („Gemeto“), der sich 1945 an die Spitze des antikommunistischen Flügels stellte. Genau wie der von den Kommunisten unabhängige, 1945 ins Leben gerufene BZNS „Nikola Petkow“ wurde auch der BZNS „Pladne“ 1947 verboten. Erst 1989 nahm der Bulgarische Bauernvolksbund seine Tätigkeit wieder auf.

Bund Freier Demokraten

Ungarische politische Vereinigung, die im November 1988 aus dem „Netz Freier Initiativen“ hervorging, das zuvor von Mitgliedern der demokratischen Opposition zur Koordinierung unabhängiger Tätigkeiten gegründet worden war. Im Juni 1989 wurde aus dem „Bund Freier Demokraten“ (Szabad Demokraták Szövetsége; SZDSZ), der bereits seit März 1989 einer der Organisatoren der Gespräche am Runden Tisch war, eine politische Partei. Im Oktober 1989 verweigerte der SZDSZ seine Unterschrift unter eine Übereinkunft rechtsgerichteter Gruppierungen und ergriff die Initiative zu einem nationalen Referendum. Bei der ersten freien Parlamentswahl im März 1990 wurde der SZDSZ zweitstärkste Kraft und war im ersten frei gewählten Parlament die größte Oppositionspartei. 1994–98 und 2002–08 stellte sie gemeinsam mit der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) die Regierungskoalition. Der anschließende Niedergang führte 2010 zum Ausscheiden aus dem ungarischen Parlament und 2013 zur Selbstauflösung. Führende Persönlichkeiten des SZDSZ waren János Kis, Péter Tölgyessy, Iván Pető, Gábor Kuncze, Bálint Magyar, Gábor Demszky und János Kóka.

Bund der Freunde der Eucharistie

1969 entstand mit Unterstützung der verbannten litauischen Bischöfe Vincentas Sladkevičius und Julijonas Steponavičius beim *Orden der Schwestern des Eucharistischen Jesu der Bund der Freunde der Eucharistie (Eucharistijos bičiulių sąjūdi). Die Mitglieder der von der Ordensschwester Gema (Jadvyga Stanelytė) gegründeten katholischen Jugendorganisation widmeten sich dem Bibelstudium, befassten sich mit Religionsphilosophie und der Geschichte Litauens und strebten nach persönlicher Weiterentwicklung. Sie rekonstruierten Wegkreuze, richteten den Berg der Kreuze wieder her und organisierten Pilgerfahrten, denen sich immer mehr Menschen anschlossen (1975 waren es 300 Teilnehmer, 1979 bereits 1000). Heute sind Gruppen der Freunde der Eucharistie in Kirchengemeinden in ganz Litauen aktiv.

Bund der Kommunisten Jugoslawiens

Der Bund der Kommunisten Jugoslawiens (Savez komunista Jugoslavije, BdKJ) ging aus der 1919 gegründeten Kommunistischen Partei Jugoslawiens (Komunistička partija Jugoslavije, KPJ) hervor. Die Umbenennung erfolgte 1952. Anfangs drittstärkste Kraft im Land, sank die Mitgliederzahl der KPJ nach ihrem Verbot 1921 von 120.000 bis auf rund 1.000 Mitglieder 1939. Während des Zweiten Weltkriegs stellten die Kommunisten mit ihrem 1937 ernannten Generalsekretär Josip Broz Tito eine reale Alternative zu den Vorkriegseliten dar, die sich zunehmend kompromittierten und in Kollaborationen verstrickten. Titos Verdienst war nicht nur der Aufbau einer 300.000 Mann starken Partisanenarmee, er sicherte sich auch die Unterstützung der Alliierten zu und wurde 1944 sogar von der königlichen Exilregierung Jugoslawiens anerkannt. Die Taktik, ein möglichst breites Bündnis „fortschrittlicher Kräfte“ aufzubauen, gaben die Kommunisten jedoch auf, nachdem sie die Kontrolle über das gesamte jugoslawische Staatsterritorium erlangt hatten. Stattdessen leiteten sie die Übernahme aller Schlüsselpositionen im Land ein und gingen vehement gegen ihre Widersacher vor. Titos Politik war für viele Vertreter der einzelnen Volksgruppen durchaus attraktiv, denn neben sozialen Verheißungen waren darin auch Losungen einer Emanzipation der Völker Jugoslawiens enthalten. Die KPJ sollte dabei der einende Faktor für das national pluralistische Staatsgebiet Jugoslawiens sein.

Im Juni 1948 verurteilte Stalin die zu große Eigenständigkeit der KPJ-Führung beim Aufbau des Sozialismus in Jugoslawien und deren Anspruch, eine bestimmende Rolle in der internationalen Arbeiterbewegung zu spielen. Tito wählte den Weg der Konfrontation und wandte sich vom Stalinismus ab. Nach der parteiinternen Abrechnung mit den Kominformisten diente das maßgeblich von Edvard Kardelj entwickelte, ideologisch eigenständige Konzept des Selbstverwaltungssozialismus (Selbstverwaltung) der Legitimation des Machtanspruchs der KPJ in Jugoslawien. Die damit verbundenen Losungen wie „Kampf gegen die Bürokratie“ oder „Verwaltung der Staatsbetriebe durch Arbeiter und Angestellte“ standen oft für gegensätzliche Richtungen in der Politik der (1952 in BdKJ umbenannten) kommunistischen Partei, begründeten auf diese Weise jedoch den jugoslawischen Sonderweg. Die Wirtschaftskrise Anfang der 60er Jahre und die Versuche, sie durch die Einführung von Marktelementen in die sozialistische Selbstverwaltung zu überwinden, wie auch der Machtzuwachs der Nachkriegsgeneration im BdKJ trugen verstärkt zu nationalen Spannungen innerhalb ihrer Strukturen bei. Die slowenischen und kroatischen Kommunisten kritisierten den bisherigen Kurs der Partei als zentralistisch, der die Serben begünstigen und die Interessen der Teilrepubliken missachten würde. Tito unterstützte diesen Standpunkt und veranlasste nach dem Parteiausschluss des serbischen Kommunistenführers Aleksandar Ranković und dessen Absetzung als UDBA-Chef (1966) eine weitgehende Föderalisierung des BdKJ (1969). Diese Tendenz verstärkte sich weiter nach der Niederschlagung der (nach Meinung Titos übertrieben) reformorientierten regionalen Parteiführungen in Kroatien (Kroatischer Frühling), Serbien (Serbischer Liberalismus) und mit Einschränkungen auch in Slowenien Anfang der 70er Jahre. Letztendlich wurde der BdKJ, insbesondere nach Titos Tod 1980, seiner macht- und gesellschaftsintegrierenden Rolle in Jugoslawien immer weniger gerecht. Zunehmend stellte er lediglich einen eher mangelhaften Koordinationsmechanismus für die Aktivitäten der kommunistischen Eliten in den einzelnen Teilrepubliken dar. Als Ende der 80er Jahre nationale Befindlichkeiten offen zutage traten und Forderungen nach einer Demokratisierung des Landes immer lauter wurden, war der BdKJ nur noch ein passives Instrument der einander bekämpfenden Eliten der Teilrepubliken. Im Januar 1990 zerbrach der BdKJ und nahm den bevorstehenden Zerfall Jugoslawiens damit gewissermaßen vorweg.

Bund der armenischen Jugend

Erste Untergrundgruppe in Armenien nach Stalins Tod, die von Studenten der Universität Jerewan (Eriwan) gegründet wurde, unter anderen von Wigen Babajan. Die Hochschüler trafen sich ab 1958. 1963 nahm die Gruppe eine organisierte Form an. Wichtiges Ziel des „Bundes der armenischen Jugend“ (Hajastani Eritasardakan Mjutjun) war die Abschaffung von Russisch als Unterrichtssprache an armenischen Schulen und die Einführung von Altarmenisch (Grabar) als Schulfach. Später wurde dem Programm die Forderung nach der Vereinigung von Armenien mit Bergkarabach, Nachitschewan und Westarmenien sowie die Gründung eines unabhängigen armenischen Staates hinzugefügt.

Suren Melikjan, Bagrat Schahwerdjan, Annahit Karapetjan, Ischchan Mrkrtschjan und Marspet Harutjunjan gliederten 1968 und gegen Anfang der 70er Jahre die einzelnen Gruppen in die Nationale Einheitspartei Armeniens ein.

Bund der armenischen Patrioten

Armenische Untergrund-Jugendorganisation, die 1964 in dem Dorf Howtaschen in der Nähe von Jerewan (Eriwan) von einem Schüler der neunten Klasse – Hakopdschan Tatewosjan – und seinen Kameraden gegründet wurde. Das Ziel des „Bundes der armenischen Patrioten“ (Hajrenaserneri Mjutjun) war die Unabhängigkeit Armeniens sowie die Lösung der armenischen Frage durch die Mobilisierung der Weltöffentlichkeit („Haj Dat“). 1968 besaß die Organisation bereits 150 Mitglieder, die meisten davon waren Studenten der Universität Jerewan. Später zog auch die Leitung der Jugendorganisation in die Hauptstadt. Im gleichen Jahr verhaftete der KGB mehrere Anführer und Aktivisten der Gruppe, was zur Einstellung ihrer Aktivitäten führte.

Bund der belarussischen Patrioten

Der Bund der belarussischen Patrioten (Sajuz belaruskich patryjotaŭ, SBP) war nach dem Zweiten Weltkrieg die größte Untergrundorganisation in Belarus. Zwischen 1945 und 1947 war sie mit mehreren Dutzend Mitgliedern, hauptsächlich Studenten der lokalen pädagogischen Hochschulen, in den Städten Hlybokaje und Pastawy in der Oblast Wizebsk aktiv. Ziele waren die Wiederbelebung belarussischer Staatlichkeit (im Sinne einer Ablösung von der Sowjetunion) samt ihrer Symbole, wie Flagge und Wappen, sowie die Entwicklung der belarussischen Kultur und Sprache. Zwar fehlte eine systematische Strategie zur Umsetzung dieser Ideen, doch man rief zum bewaffneten Kampf auf und betrieb Bildungsarbeit. 1947 wurde die Gruppe zerschlagen. Die Mehrheit der Mitglieder wurde verhaftet und zu Freiheitsstrafen von bis zu 25 Jahren verurteilt.

Bund für die Vereinigung Armeniens

Aus der im Untergrund agierenden Gruppe Huys ging auf Initiative der Brüder Walter und Suren Melikjan, Jurik Budagjan und Serob Sarkisjan 1967/68 der „Bund für die Vereinigung Armeniens“ (Hajastani Weramiaworman Miutjun) hervor. Ziel des rund vierzig Mitglieder zählenden Bundes war die Vereinigung von Bergkarabach und Nachitschewan mit Armenien sowie die Durchführung eines Referendums über die Unabhängigkeit des Landes. 1971 wurden die führenden Köpfe der Organisation verhaftet, und sie löste sich auf.