In sowjetischer Lagerhaft begehrten die litauischen politischen Gefangenen zusammen mit Häftlingen aus anderen Sowjetrepubliken immer wieder gegen die Missachtung ihrer Rechte auf. Diese gemeinsamen Erfahrungen waren wichtig, als litauische Dissidenten in den 70er und 80er Jahren eine enge Zusammenarbeit mit der Opposition in anderen Teilen der UdSSR pflegten, besonders mit russischen Menschenrechtsaktivisten und mit Dissidenten aus den anderen baltischen Republiken sowie aus der Ukraine und Armenien. Und auch die Geschichte des litauischen Samisdat nahm ihren Anfang in den sowjetischen Lagern. 1955 und 1956 erschienen mehrere Anthologien mit Werken litauischer Häftlinge des Straflagers Inta in der nordwestrussischen ASSR Komi, darunter „Dem Sonnenaufgang entgegen“ (Saulėtekio linkui), „Die Obdachlosen“ (Benamiai), „Mit dem Gesicht zum Vaterland“ (Veidu į Tėvynę) und „Hoffnungsfunke in der Tundra“ (Žiburėlis tundroje). Die Herausgeber, die sich zwischenzeitlich wieder auf freiem Fuß befanden, darunter Jonas Žičkus, Natalija Kubiliūenė-Pupeikienė und Benediktas Valeika, wurden 1958 erneut verhaftet. Der Priester Pranas Račiūnas, der von 1949 bis 1965 im Lager saß, verfasste dort sechs Bände mit theologischen Studien, die dank der Unterstützung von aus der Haft entlassenen Freunden des Priesters ihren Weg nach Litauen fanden.
Die wichtigste Rolle bei der Entstehung und Konsolidierung des dissidentischen Widerstands in Litauen spielte der Katholizismus, zu dem sich 80 Prozent der Einwohner Litauens bekannten. Von Anfang an bemühten sich die sowjetischen Machthaber, die katholische Kirche von der litauischen Gesellschaft und vom Heiligen Stuhl zu trennen und staatliche Kontrolle über die litauischen Bistümer zu gewinnen. Viele Geistliche und Gläubige widersetzten sich diesen Bestrebungen und protestierten gegen den administrativen Druck. In ihren Predigten brandmarkten Priester Massendeportationen und Zwangskollektivierung, viele von ihnen unterstützten die Partisanen. Die katholische Kirche in Litauen wurde in den ersten Nachkriegsjahren von den sowjetischen Behörden daher nicht nur aus antireligiösen Gründen, sondern auch als „Gesinnungsgenosse der bourgeoisen Nationalisten“ bekämpft. Bis 1953 wurden 130 Kirchen sowie sämtliche Klöster geschlossen, 362 Priester wurden verhaftet und saßen in den Gefängnissen. Das Engagement eines beträchtlichen Teils des Klerus im Widerstand gegen die Sowjetherrschaft sowie das Vorgehen des Machtapparats gegen die Kirche bestärkten viele Litauer in ihrer Überzeugung, dass dem Katholizismus im litauischen Nationalbewusstsein eine zentrale Rolle zukam. Nach Stalins Tod wurde die Politik gegenüber der katholischen Kirche zunächst etwas nachgiebiger, sogar offiziell wurde eingeräumt, dass gewisse „Fehler“ begangen worden seien. Nach und nach kehrten die ersten Geistlichen aus den Lagern nach Litauen zurück. Auch einige liturgische Bücher konnten erscheinen, was weiterhin fehlte, waren kirchliche Zeitungen und Materialien für die Katechese. So nutzten Klerus und Gläubige jede sich bietende Gelegenheit zur Herausgabe und Weiterverbreitung religiöser Literatur. In staatlichen Druckereien gelang es, im Geheimen das „Alphabet des Glaubens“ (Tikybos pirmamokslį) von Bischof Kazimieras Paltarokas sowie einige Gebetsbücher und Katechismen in kleiner Auflage zu drucken. Durch konspirativ mit der Schreibmaschine gefertigte Abschriften stieg die Zahl religiöser Publikationen ab Ende der 50er Jahre beträchtlich. Neue Repressionen folgten: Allein 1957 und 1958 wurden 13 katholische Priester verhaftet und die Bischöfe Teofilius Matulionis, Vincentas Sladkevičius und Julijonas Steponavičius in abgelegene Pfarreien an die lettische Grenze strafversetzt, wo sie unter ständiger Beobachtung standen. 1959–63 wurden im Zuge der antireligiösen Kampagne unter Nikita Chruschtschow weitere 29 Kirchen geschlossen, 31 Kapellen auf dem Kalvarienberg in Wilna zerstört und sämtliche Kreuze auf dem *Berg der Kreuze bei Šiauliai und auf dem *Drei-Kreuze-Berg in Wilna niedergerissen. Nach dem Sturz Chruschtschows im Oktober 1964 flaute die kirchenfeindliche Kampagne etwas ab, gleichwohl wurde die Seelsorge der Geistlichen weiterhin erschwert. Dies galt vor allem für die religiöse Erziehung der Kinder, denen die Teilnahme am Religionsunterricht und kirchlichen Zeremonien (Kirchenchor, Messdienst, Prozessionen und Wallfahrten) verboten war. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre kam es zu ersten öffentlichen Protesten der Priesterschaft gegen die religiöse Verfolgung (Appell der Priester Vladas Šlevas und Alfonsas Prodotkas an den Ministerpräsidenten der UdSSR Alexei Kossygin, Petition von Priestern aus dem Bistum Vilkaviškis). Diese Dokumente fanden jedoch kaum Verbreitung. Ein weitaus größeres Echo im In- und Ausland löste ein Memorandum aus, das zunächst an Parteichef Leonid Breschnew und nach ausbleibender Antwort im Februar 1972 auch dem damaligen UNO-Generalsekretär übermittelt wurde. Anlass war die Verurteilung der Priester Juozas Zdebskis und Prosperas Bubnys im November 1971, gegen die Anklage erhoben worden war, weil sie Kindern Religionsunterricht erteilt hatten. Das als *Memorandum der litauischen Katholiken bekannt gewordene Dokument war von mehr als 17.000 Menschen unterzeichnet worden. Auch ausländische Medien hoben dies in ihrer Berichterstattung hervor.
Allein die Beschäftigung mit der Vergangenheit und der wiederkehrende Hinweis auf die empfundene Okkupation des Landes (charakteristisch für die „politisch“ orientierten Jugendgruppen des Untergrunds) führte also offenbar nicht zum gewünschten Erfolg. Vielmehr schien es wichtig, aktuelle gesellschaftliche Probleme des Landes aufzugreifen, sowjetische Denkweisen infrage zu stellen, Informationslücken zu füllen, Wissen zu vermitteln und offensichtliche Propaganda bloßzulegen. Als besonders effizientes Mittel erwies sich die systematische Dokumentation und Bekanntmachung von Rechtsverletzungen und Repressionen. Es wurden Petitionen und Aufrufe verfasst, aber man verstand, dass diese nur dann Erfolg haben würden, wenn das Vorgehen der Behörden auch im Ausland bekannt würde. Nach Vorbild der von Moskauer Menschenrechtsgruppen herausgegebenen *„Chronik der laufenden Ereignisse“ erschien im März 1972 erstmals die *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ als eigene Untergrundschrift litauischer kirchlicher Oppositioneller. Die Konzeption und Leitung des Blattes übernahm der Priester Sigitas Tamkevičius. Bereits am 5. Juli 1972 leitete die Staatsanwaltschaft der Litauischen SSR ein Ermittlungsverfahren gegen die Herausgeber und Vertriebsmitarbeiter der *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ ein. Dieser juristisch einmalige Fall hat prozessual nie einen Abschluss gefunden, obwohl in seinem Verlauf 14 Personen verhaftet und verurteilt wurden, darunter Petras Plumpa, Virgilijus Jaugelis und Nijolė Sadūnaitė. Der Moskauer Bürgerrechtler Sergei Kowaljow, der die Übermittlung des Blattes nach Moskau und ins Ausland unterstützte, wurde der Mithilfe bei der Weiterverbreitung der *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ angeklagt. Über die Jahre mussten sich viele weitere Personen, denen „antisowjetische Verbrechen“ vorgeworfen wurden, wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Blatt verantworten. Das letzte Gerichtsverfahren in diesem Zusammenhang wurde erst 1988 eingestellt. Trotz aller Hindernisse erschienen insgesamt 81 Nummern der *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“, die letzte Ausgabe am 19. März 1989.
Die *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ markiert den Beginn einer neuen Etappe in der Geschichte der litauischen Oppositionsbewegung: Im Samisdat fanden nicht nur religiöse Literatur, sondern auch philosophische und historische Schriften Verbreitung. Hinzu kamen maschinengeschriebene Kopien litauischer Gedichtbände aus der Vorkriegszeit und aus der Emigration. Es entstanden weitere Untergrundblätter: Zwischen 1975 und 1989 erschienen mindestens 25 Titel. Zur Vervielfältigung der Texte wurden Schreibmaschinen aber auch auch andere Verfahren eingesetzt, auch staatliche Druckereien wurden heimlich genutzt. Einige Tausend Exemplare von Katechismen für Kinder wurden auf transportablen Linotype-Druckmaschinen produziert. Sie waren von Jonas Stašaitis konstruiert worden, den Druck besorgte Paulius Petronis. Mit der Vervielfältigung von Untergrundliteratur waren ebenso Priester und Ordensschwestern befasst, besonders häufig auch solche, die ihr Gelübde im Verborgenen abgelegt hatten und für die Behörden nicht erkennbar waren. Die Gruppe der „Drucker“, zu der Petras Plumpa, Algis Paliokas, Jonas Gudelis Janina Gudelytė, die Ordensfrau Monika Gavėnaitė und andere gehörten, wurde von dem Priester Jonas Buliauskas koordiniert. 1969 kamen die Mitglieder illegal in den Besitz von Einzelteilen eines Vervielfältigungsapparates vom Typ „Era“, aus denen sie ein funktionsfähiges Gerät montierten und das sie aus Sicherheitsgründen von Wohnung zu Wohnung schafften. Es erschienen vor allem in der Emigration entstandene religiöse und philosophische Schriften, die besonders bei der Jugend Anklang fanden. Beispiele dafür waren „Probleme des litauischen Charakters“ (Lietuviškojo charakterio problema) und „Mensch ohne Gott“ (Žmogus be Dievo) von Juozas Girnius, „Die großen Fragen der Gegenwart“ (Didieji dabarties klausimai), „Lamm Gottes“ (Dievo avinėlis), „Das Geheimnis der Niedertracht“ (Niekšybės paslaptis) und „Hiobs Drama“ (Jobo drama) von Antanas Maceina sowie „Menschen und Tiere im Wald der Götter“ (Žmonės ir žvėrys Dievų miške), „Die Ideologie des katholischen Jugendverbandes *Ateitis (Ateitininkų ideologija) und „Ein modernes Mädchen“ (Moderni mergaitė) von Stasys Yla, einem ehemaligen Häftling im KZ Stutthof. Auf dem erwähnten Gerät wurden auch die Unterschriftenbögen für das *Memorandum der litauischen Katholiken (1972), die Nummern 1–7 der *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ (1972–73), der Text der geheimen Zusatzprotokolle des *Hitler-Stalin-Pakts und viele andere Texte vervielfältigt. Ende 1973 wurde die Druckerei vom KGB entdeckt, die Technik wurde beschlagnahmt. Jonas Patriubavičius, Povilas Petronis, Petras Plumpa, Jonas Stašaitis und Virgilijus Jaugelis wurden verhaftet.