Mit Beginn der 80er Jahre zeigte sich auch in Litauen ein abermals verstärktes Bemühen der Partei- und Staatsmacht, die nationale Oppositionsbewegung zu schwächen. Wichtige Akteure wurden verhaftet und kaltgestellt oder kamen unter unklaren Umständen ums Leben: 1980 wurde Algirdas Statkevičius, Mitglied der *Litauischen Helsinki-Gruppe, für unbegrenzte Zeit in ein *psychiatrisches Krankenhaus besonderen Typs eingewiesen. Am 24. November 1984 wurde ein weiteres Mitglied der *Litauischen Helsinki-Gruppe, der Pfarrer Bronislovas Laurinavičius, von einem LKW überfahren und starb. Am 4. April 1985 wurde Povilas Butkevičius, Mitarbeiter der Untergrundpresse und ehemaliger politischer Gefangener, vor der Tür seines Hauses in Kaunas angefahren und erlag seinen Verletzungen. Am 5. Februar 1986 kam bei einem Autounfall in der Region Lazdijai der Priester Juozas Zdebskis, Gründer des *Katholischen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen, ums Leben.
Trotz verstärkter Repressionen in dieser Zeit gelang es der litauischen Dissidentenbewegung (anders als der Opposition in anderen Sowjetrepubliken, die deutlich geschwächt wurden) handlungsfähig und sichtbar zu bleiben: Die *„Chronik der Katholischen Kirche in Litauen“ und *„Aušra“ machten weiterhin auf Menschenrechtsverletzungen und das Vorgehen der sowjetischen Behörden gegen Veranstaltungen zu religiösen Feiertagen und wichtigen Gedenk- und Jahrestagen aufmerksam und veröffentlichten Solidaritätsbekundungen mit führenden Menschenrechtsaktivisten (z. B. anlässlich des 60. Geburtstages von Andrei Sacharow) und demokratischen Bewegungen in anderen Ländern (z. B. anlässlich des Jahrestages der Gründung der *Solidarność). Wichtig für den politisch bewussten Teil der litauischen Bevölkerung waren auch Informationen, die über den Samisdat des Landes in den Westen gelangten und mit Hilfe dort ansässiger Rundfunkstationen den Weg zurück nach Litauen fanden.
In der ersten Hälfte der 80er Jahre traten zudem einige neue Untergrundpublikationen in Erscheinung: Das Blatt „Tautos Kelias“ (Weg des Volkes), dessen erste Nummer 1980 erschien, sprach sich für einen freien und selbständigen litauischen Staat aus und informierte über Ereignisse im In- und Ausland. Die erzieherische Zeitschrift „Blaivybėje – jėga“ (In der Abstinenz liegt Stärke), rief AB 1981 zum Kampf gegen Alkoholismus, Drogensucht und Sittenlosigkeit auf (traditionell hielt man das für unabdingbar für die nationale und geistige Wiedergeburt Litauens). 1982 folgten die Jugendschrift *„Lietuvos Ateitis“ und 1985 die zweibändige Ausgabe „Atkurtoji Lietuva“ (Wiedergeborenes Litauen) mit Beiträgen zur nationalen und religiösen Diskriminierung der litauischen Bevölkerung in der UdSSR.
Mit dem Beginn der Liberalisierung im Zuge von Glasnost und Perestroika in der UdSSR erhielten oppositionelle Bestrebungen und der Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit auch in Litauen neuen Auftrieb. AB 1987 kehrten führende Dissidenten aus Haft und Verbannung zurück. Für den 23. August 1988 kündigten in Wilna Vytautas Bogušis, Petras Cidzikas, Nijolė Sadūnaitė und Antanas Terleckas offiziell die Durchführung einer Protestkundgebung zum Jahrestag der Unterzeichnung des *Hitler-Stalin-Paktes an. Es handelte sich um die erste Veranstaltung, auf der in Litauen öffentlich über die Einverleibung Litauens in die UdSSR diskutiert wurde. Am 3. Juni 1988 gründeten Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Kultur, analog zu den „Volksfronten“ in den anderen baltischen Republiken, die Bewegung *Sąjūdis. Die Organisation agierte legal. Rasch erlangte sie Unterstützung in allen Schichten der Gesellschaft und wurde neben den bestehenden Machtstrukturen zu einer realen politschen Kraft. Innerhalb von *Sąjūdis bildeten sich Gremien, die sich mit verschiedenen gesellschaftlich relevanten Fragen beschäftigten (so auch die *Kommission für die Erforschung der Verbrechen des Stalinismus). Im Juli 1988 entstand das *Komitee zur Verteidigung politischer Gefangener. Die *Sąjūdis-Kandidaten gingen im März 1989 als Sieger aus den Wahlen zum Volksdeputiertenkongress der UdSSR hervor und siegten auch im Februar 1990 bei den Wahlen zum Obersten Sowjet der Litauischen SSR. Am *11. März 1990 proklamierte der Oberste Sowjet Litauens die Unabhängigkeit des Landes.