Name des Begriffes: Prozess gegen Jakir und Krassin
Beschreibungen des Begriffes:

Prozess gegen Jakir und Krassin

Einer der berühmtesten politischen Prozesse der 70er Jahre fand im Sommer 1973 statt. Pjotr Jakir und Wiktor Krassin, zwei bekannte Dissidenten und Mitglieder der *Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte in der UdSSR, waren ein Jahr zuvor in Moskau unter dem Vorwurf „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ festgenommen worden. Im Untersuchungsverfahren legten sie umfangreiche Geständnisse AB, unter anderem sagten sie über anonyme Mitglieder der Menschenrechtsbewegung aus und legten die Wege offen, auf denen Samisdat-Literatur in den Westen gelangte. Oppositionellen Aktivisten empfahlen sie eine „ehrenvolle Kapitulation“. Mutmaßlich entgegen behördlicher Zusicherungen wurden ihre Aussagen als Grundlage für zahlreiche Durchsuchungen und Verhöre herangezogen und spielten auch bei den Verhaftungen der Jahre 1972 und 1973 eine Rolle. Zudem erreichte der KGB durch Erpressung die Einstellung der *Chronik der laufenden Ereignisse. Während der Verhandlung vom 27. August bis zum 1. September 1973 in Moskau und auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz bekannten die Angeklagten sich schuldig und bedauerten ihre „antistaatliche Tätigkeit, die durch ausländische Geheimdienste gelenkt und finanziert“ worden sei. Die Haftstrafen fielen relativ milde aus und wurden kurze Zeit später in eine dreijährige Verbannung umgewandelt. Jakir wurde nach Rjasan und Krassin nach Kalinin (heute: Twer) verbannt. Beide konnten ihren Verbannungsort vorzeitig verlassen.
Noch Anfang der 70er Jahre genossen Jakir und Krassin in kritischen Intellektuellenkreisen großes Ansehen. Ihr Verhalten während des Untersuchungsverfahrens und des Prozesses sowie ihre öffentliche Reuebekundung riefen jedoch große Irritationen hervor und schmälerten die Unterstützung für oppositionelle Initiativen. Der Vertrauenskrise versuchte die Menschenrechtsbewegung mit mehr bürgerschaftlicher Verantwortung und stärkerer Professionalisierung zu begegnen. Unmittelbar nach dem Prozess dementierte die *Initiativgruppe zur Verteidigung der Menschenrechte die Behauptung von Jakir und Krassin über Kontakte von Dissidenten zu ausländischen Geheimdiensten. Dem KGB warf sie vor, von den Angeklagten falsche Geständnisse erzwungen zu haben. Im Mai 1974 wurde die Herausgabe der *Chronik der laufenden Ereignisse wiederaufgenommen. Mit der Gründung der *Moskauer Helsinki-Gruppe im Mai 1976 war die Krise der Dissidentenbewegung weitgehend überwunden.

Synonyme: Prozesses gegen Jakir und Krassin, Pjotr Jakir und Wiktor Krassin
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