Name des Begriffes: Kriegsrecht
Beschreibungen des Begriffes:

Kriegsrecht

In der Nacht vom 12. zum 13. Dezember 1981 rief der Staatsrat auf dem gesamten Territorium der Volksrepublik Polen das Kriegsrecht aus. Alle Organisationen, Vereine und Gewerkschaften, darunter die Solidarność und die Solidarność der Einzelbauern wurden verboten. Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen waren ab sofort untersagt, zahlreiche Produktionsbetriebe wurden militärisch verwaltet. Die Verhängung des Kriegsrechts war die Umsetzung eines bereits seit vielen Monaten vorbereiteten Plans der Machthaber zur Zerschlagung der Solidarność. Auf den Straßen polnischer Städte fuhren Militärfahrzeuge auf, der Unterricht an Schulen und Universitäten wurde eingestellt. Die Aktivisten der Solidarność, die Mitglieder des Landesausschusses mit Lech Wałęsa an der Spitze, die Vertreter der Regionalleitungen und die Berater der Gewerkschaft kamen ohne Gerichtsurteil in Internierungslager. Von der Internierung waren insgesamt etwa 10.000 Personen betroffen, von denen allein 3.000 gleich in der ersten Nacht des Kriegsrechts festgenommen wurden.

Von 22 Uhr bis 6 Uhr früh herrschte Ausgangssperre, man durfte sich ohne Genehmigung nicht länger als 48 Stunden außerhalb seines Wohnortes aufhalten. Alle Postsendungen unterlagen ab sofort der Zensur, die Telefonverbindungen wurden für einen Monat gekappt und danach ebenfalls kontrolliert. Die Grenzen des Landes waren für polnische Bürger, die das Land verlassen wollten, geschlossen. Die Regierung stellte das Erscheinen sämtlicher Zeitungen ein, mit Ausnahme der „Trybuna Ludu“, dem Zentralorgan der Partei, und dem Presseorgan der Armee „Żołnierz Wolności“. Für den privaten Pkw-Verkehr durfte kein Benzin mehr verkauft werden.

In zahlreichen Betrieben brachen Proteststreiks aus, am längsten (zwei Wochen) dauerte der Streik der Bergarbeiter in der oberschlesischen Kohlegrube „Piast“. Miliz- und Militärkräfte schlugen die Proteste rücksichtslos unter Einsatz von Panzern nieder. Besonders blutig endete der Streik in der Kohlegrube „Wujek“ in Kattowitz am 16. Dezember 1981, wo neun Bergleute getötet und viele verletzt wurden. Straftaten und Verbrechen im Sinne des „Dekrets über die Verhängung des Kriegsrechts“ wurden vor Militärgerichten, oft im Schnellverfahren, verhandelt. Die höchsten Urteile erfolgten im Prozess gegen Mitarbeiter der Seehochschule Gdynia: Ewa Kubasiewicz wurde zu zehn, Jerzy Kowalczyk und Jerzy Trzciński zu jeweils neun Jahren Gefängnis verurteilt. Trotz drakonischer Strafen gingen Anhänger der Solidarność, Bürgerrechtler und Oppositionelle umgehend daran, ihre Verlags- und Gewerkschaftsarbeit unter den Bedingungen der Konspiration weiterzuführen.

Im Oktober 1982 wurden alle bestehenden Gewerkschaften aufgelöst, darunter auch die Solidarność. Die Regierung lockerte die Vorschriften des Kriegsrechts im Laufe der Monate etwas, nach gut einem Jahr wurde das Kriegsrecht am 31. Dezember 1982 zunächst ausgesetzt. Endgültig aufgehoben wurde es jedoch erst im Juli 1983 nach insgesamt 585 Tagen. Mit dem Kriegsrecht wurde die polnische Freiheitsbewegung niedergeschlagen, die 1980/81 Massencharakter angenommen hatte. Alle eingeleiteten Reformen wurden gestoppt, mehrere hunderttausend Polen ins Exil getrieben. Die Zeit des Kriegsrechts in Polen forderte einige Dutzend Tote (die genaue Zahl der Opfer konnte nicht ermittelt werden).

Bartosz Kaliski

In der Mediathek der Bundesstiftung Aufarbeitung:
40 Jahre Ausrufung des Kriegsrechts in Polen: Wolfgang Templin im Gespräch mit Basil Kerski.

Synonyme: Kriegsrechts
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