Kurz nach dem Prozess gegen Andrei Sinjawski und Juli Daniel stellte Alexander Ginsburg die Materialien über die Protestkampagne der Jahre 1965/66 in einer „Weißbuch“ (Belaja kniga) genannten Dokumentation zusammen. Diese Dokumentensammlung kursierte in Form von Schreibmaschinenkopien in der UdSSR und wurde im Ausland veröffentlicht. Sie war dem Andenken an die 1965 verstorbene Frida Wigdorowa gewidmet, deren Wirken Alexander Ginsburg hier offensichtlich fortsetzte. (Die Journalistin Frida Wigdorowa hatte den Brodsky-Prozess dokumentiert. Ihre Prozessaufzeichnungen kursierten Mitte der 60er Jahre im Untergrund und gelten als erstes Samisdat-Dokument der sowjetischen Bürgerrechtsbewegung.) Im Januar 1966 nahm der KGB drei Freunde von Alexander Ginsburg fest, die ihm bei der Arbeit an dem Buch geholfen hatten; einige Tage später wurde auch er selbst verhaftet. Am 22. Januar fand auf dem Puschkin-Platz eine weitere Protestkundgebung statt, die sich gegen die Festnahmen und gegen die 1966 erfolgte Aufnahme von neuen politischen Paragrafen in das Strafgesetzbuch richtete. Es handelte sich um folgende Artikel: Artikel 190, Paragraf 1 Strafgesetzbuch der RSFSR („Verbreitung offenkundig falscher Anschuldigungen, die der Verleumdung der sowjetischen Staats- und Gesellschaftsordnung dienen“), Artikel 190, Paragraf 2 („Herabwürdigung von Staatsflagge und Staatswappen der UdSSR“) und Artikel 190, Paragraf 3 („Organisierung oder aktive Teilnahme an Gruppenveranstaltungen, die die öffentliche Ordnung in grober Weise stören“). Im Unterschied zur Glasnost-Kundgebung beschränkten sich die zuständigen Organe nicht auf die Auflösung der Demonstration. Einige Teilnehmer wurden festgenommen und vor Gericht gestellt.
Im Januar 1968 begann vor dem Moskauer Stadtgericht der Prozess gegen Alexander Ginsburg und seine Freunde – der sogenannte Prozess der Vier. Schon in der Vorbereitungsphase kam es zu einer Reihe von kollektiven Protestbekundungen wie auch schon früher in Form von Petitionen an sowjetische Partei-, Gerichts- und Staatsorgane. Nach dem Prozess und der Urteilsverkündung verstärkten sich die Proteste beträchtlich und erreichten eine neue Qualität. Mit dem Appell an die Weltöffentlichkeit (K mirovoj obščestvennosti) von Larisa Bogoras und Pawel Litwinow waren die Adressaten der Proteste nicht mehr nur die offiziellen sowjetischen Stellen, sondern auch jene, an die ab 1966 die Proteste in Wirklichkeit gerichtet waren: die nationale und internationale Gemeinschaft. Das brachte die Überwindung der wichtigsten psychologischen Barriere mit sich, des sogenannten „Komplexes der belagerten Festung“, der sich im Laufe der Jahrzehnte im Bewusstsein der sowjetischen Menschen festgesetzt hatte.
Berechnungen von Andrei Amalrik zufolge, dem ersten Forscher, der die dissidentische Arbeit einer soziologischen und politologischen Analyse unterzog, waren in den verschiedenen Städten und Sowjetrepubliken insgesamt mehr als 700.000 Menschen daran beteiligt. Für die Verhältnisse der Sowjetunion vor der Perestroika war das eine enorme Anzahl. Einer der Gründe hierfür war wahrscheinlich der Prager Frühling in der Tschechoslowakei, wo seit Jahresbeginn ein lebhafter Demokratisierungsprozess zu beobachten war. Viele Menschen knüpften ihre Hoffnung daran, dass ein ähnlicher Prozess auch in der Sowjetunion beginnen könnte. Diese Hoffnungen wurden durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 jedoch zunichtegemacht.
Die sogenannte Demonstration der Sieben am 25. August auf dem Roten Platz in Moskau wurde zur Legende, zu einem „Muster“ mit prägender Wirkung für das sich herausbildende Dissidentenmilieu; zugleich jedoch markierte sie den Endpunkt des extensiven Wachstums der Protestbewegung.
In den folgenden Jahren nahmen nicht mehr so viele Menschen wie 1968 an den Protestkampagnen teil. Hinter der systematischen Menschenrechtsarbeit – was sowohl öffentliche Proteste als auch die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen im Land einschloss – standen nicht mehr als 200-300 Personen, die sich aus dem Kreis der Protestierenden von 1968 rekrutierten. Sie bildeten den Kern der Menschenrechtsbewegung, die ihre Zentren vor allem in Moskau und in einigen anderen Großstädten der Sowjetunion hatte. Der Umfang der Protestwelle von 1968 wurde nicht nur durch die mit den Ereignissen in der Tschechoslowakei verknüpften Hoffnungen bewirkt. Viel wichtiger war die Tatsache, dass es ab 1966 in Kreisen, die das Potenzial hatten, sich der Willkür entgegenzustellen, zu einem Konsolidierungsprozess gekommen war. Es wurden Kontakte zwischen den einzelnen Milieus, Gruppen und Vereinen geknüpft, für die das öffentliche Einstehen für abweichende Meinungen zur Verhaltensnorm gehörte.
Aus den Protesten, die sich ursprünglich auf schöpferische und künstlerische Freiheiten konzentrierten, erwuchs auf natürliche Weise eine Bewegung zur Verteidigung der grundlegenden bürgerlichen und politischen Rechte in der UdSSR, die sich gegen jegliche politische Verfolgung richtete. Dass es so kam, war einer Erweiterung der Interessenlage der Initiatoren und Teilnehmer der Proteste zu verdanken, zu der es wiederum durch die Konsolidierung der verschiedenen Gruppen, Kreise und mitunter auch Freundeskreise gekommen war. Schon die zweite Protestwelle 1967/68 aus Solidarität mit Alexander Ginsburg und Juri Galanskow sowie mit den wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration auf dem Puschkin-Platz vom 22. Januar 1967 Verhafteten war thematisch breiter angelegt. Es ging nicht mehr nur um die künstlerische Freiheit (weder Alexander Ginsburg noch die anderen im Prozess der Vier Verurteilten oder die Demonstranten vom 22. Januar waren Schriftsteller), sondern generell um Meinungs- und Bürgerfreiheit.
Das Thema der Unterordnung der orthodoxen Kirche, also der verfassungswidrigen Einmischung des Staates in interne Angelegenheiten der Glaubensgemeinschaften, rückte zu dem Zeitpunkt ins Blickfeld der sich formierenden Menschenrechtsbewegung, als Anatoli Lewitin-Krasnow als Zeuge während des Prozesses der Vier aussagte. Lewitin-Krasnow hatte einen Namen als Autor theologischer Arbeiten und publizistischer Beiträge, die im orthodoxen Samisdat erschienen. Ähnliche Themen brachten auch die Geistlichen Nikolai Eschliman und Gleb Jakunin auf die Tagesordnung. Sie waren Mitglieder eines Kreises orthodoxer Dissidenten, dem auch Lewitin-Krasnow angehörte.