Allein durch die Tatsache ihrer bloßen Existenz hatte die Solidarność bereits das Monopol des Staates zur Organisierung seiner Bürger zerstört. Und auch das offizielle Propagandamonopol wurde effizient untergraben: durch Hunderte in allen Regionen verbreitete Informationsbulletins, durch die Presseagentur Solidarność (Agencja Prasowa Solidarność; AS), das Presseinformationsbüro (Biuro Informacji Prasowej NSZZ Solidarność; BIPS) und durch den 1981 offiziell in einer Auflage von 500.000 Exemplaren erscheinenden „Tygodnik Solidarność“ (Wochenzeitung der Solidarność), dessen Chefredakteur Tadeusz Mazowiecki war. Den Zugang zum Fernsehen wussten die Machthaber indes konsequent zu verhindern.
Die Gründung und der rasche Aufstieg der Solidarność veranlassten auch andere soziale Gruppen – wie die Bauern und Studenten – dazu, nach einer Loslösung von der Kontrolle durch Partei und Behörden zu streben. Die Studenten erkämpften sich nach einem mehrere Wochen währenden Streik das Recht zur Gründung des Unabhängigen Studentenverbandes (Niezależne Zrzeszenie Studentów; NZS) sowie eine erweiterte Autonomie der Hochschulen. Der Kampf der polnischen Bauern um das Recht zur Gründung einer eigenen Gewerkschaft dauerte viele Monate und war erst nach Auseinandersetzungen, die im März 1981 das gesamte Land erfassten, von Erfolg gekrönt. Dem gesellschaftlichen Druck der Massen ist es auch zu verdanken, dass sich auch unter anderen der Polnische Journalistenverband und der Verband Polnischer Literaten aus der Parteikontrolle befreien konnten. Die Solidarność war die maßgebende Kraft einer breiten Bewegung, die alle Schichten und Gruppen der polnischen Gesellschaft erfasst hatte.
Die mit den Machthabern geschlossenen Übereinkommen, angefangen mit den August-Vereinbarungen, hatten den Charakter einer Charta von Rechten und Pflichten. Die Staatsmacht ließ sich auf die Anerkennung der Autonomie der Gesellschaft ein und verzichtete damit auf die absolute Kontrolle über diese. Alle wesentlichen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik, der Bildung und Kultur mussten die Partei fortan erst mit Vertretern der in Gewerkschaften und Verbänden organisierten Gesellschaft abstimmen. Der Staat war verpflichtet, tief greifende Reformen durchzuführen, um die Machtausübung in Übereinstimmung mit Geist und Buchstaben der getroffenen Vereinbarungen zu bringen. Zugleich war sich die Solidarność ihres begrenzten Spielraums bewusst, der durch die geopolitische Lage bedingt war – sie forderte beispielsweise keine Entmachtung der PZPR, vermied antisowjetische Akzente und hütete sich – zumindest bis zum Herbst 1981 – davor, die Frage von Kommunal- und Parlamentswahlen auf die Tagungsordnung zu setzen.
Die Entstehung einer großen unabhängigen Organisation, wie sie Solidarność war, stand im Widerspruch zum Wesen des kommunistischen Systems. In der Parteiführung überwog das Streben nach Wiedererlangung des Machtmonopols, bestärkt wurden diese Kräfte durch andere kommunistische Regime und durch die Gefahr einer sowjetischen Intervention. Bei ihrem Versuch, den Einfluss der Solidarność einzudämmen, verstrickte sich die Staatsmacht in lokale Konfrontationen, von denen eine das Land im März 1981 an den Rand eines Generalstreiks brachte. Die Pläne zur Zerschlagung oder Spaltung der Solidarność erwiesen sich als wenig realistisch. Als Alternative sahen sie die Ausrufung des Kriegsrechts, mit deren Vorbereitung die Machthaber bereits seit Herbst 1980 beschäftigt waren.
Als im September 1981 über 1.000 auf Regionalkongressen gewählte Delegierte zum ersten Landeskongress der Solidarność zusammenkamen, war dies – wie Beobachter feststellten – seit 1939 die erste authentische Volksvertretung in Polen. Unter den vielen Beschlüssen des Kongresses befand sich auch das Programm „Selbstverwaltete Republik“ (Samorządna Rzeczpospolita), in dem von einer auf Selbstverwaltung gegründeten Gesellschaft und einem demokratischen Staatswesen die Rede war. Aufsehen erweckte auch die „Botschaft an die arbeitenden Menschen Osteuropas“ (Posłanie do ludzi pracy Europy Wschodniej), in der folgende Hoffnung formuliert wurde: „Schon bald werden eure und unsere Gewerkschaftsvertreter sich zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch treffen können.“
Indessen hatte die Bevölkerung mit der sich ständig verschärfenden Wirtschaftskrise zu kämpfen, insbesondere wurde die Lebensmittelversorgung ein immer ernsteres Problem. Vor diesem Hintergrund kam es zu Unmutsäußerungen. Radikalismus und Entmutigung machten sich breit, auch der Glaube an eine bessere Zukunft durch die Existenz der Solidarność begann zu schwinden. Polarisierungserscheinungen waren auch innerhalb der Gewerkschaft zu beobachten, die Geister schieden sich an taktischen und Programmfragen und am ideellen Anspruch. Die Gespräche mit der Regierung über notwendige Reformen, über die Verbesserung der Versorgungslage und andere Fragen gerieten in eine Sackgasse. Als am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht über das Land verhängt wurde, war die Solidarność bereits geschwächt und wurde von dieser Maßnahme überrascht.
Mit Ausrufung des Kriegsrechts wurde nicht nur die Solidarność, sondern nahezu alle gesellschaftlichen Organisationen in ihrer Tätigkeit verboten. Es erschienen abgesehen von den Zentralorganen der Partei und des Militärs keine Zeitungen mehr. 3.000 Personen wurden unter dem Verdacht, zum Widerstand anstacheln zu wollen, interniert (bis Ende 1982 stieg die Zahl der Internierten auf 9.700). Drakonische Strafvorschriften sollten den Widerstandswillen brechen. Bis zur Aufhebung des Kriegsrechts im Juli 1983 wurden fast 12.000 Personen abgeurteilt. An verschiedenen Orten unternommene Protestversuche (unter anderem in Schlesien und Danzig) wurden mit aller Härte rücksichtslos niedergeschlagen. Repressionen wurden zum Hauptmittel, um die Gesellschaft niederzuhalten, hinzu kam eine verlogene Propaganda mit dem Ziel, den Mythos der Solidarność und ihrer Anführer zu zerstören.
Widerstand gegen das Kriegsrecht und die Aussetzung der Bürgerrechte gab es von Anfang an in unterschiedlicher Ausprägung. In den ersten Tagen des Ausnahmezustandes waren es Streiks in Betrieben, die allerdings rücksichtslos unterbunden wurden. Eine weitere Form des Protestes stellten Straßendemonstrationen dar, die ebenfalls brutal niedergeschlagen wurden. Solche Demonstrationen fanden besonders häufig 1982 statt, später seltener. Bereits in den ersten Tagen des Kriegsrechts machten sich verschiedene Gruppen daran, Informationen zu verbreiten, Nachrichtenbulletins und publizistische Texte herauszugeben, die zunächst als maschinengeschriebene Beiträge verbreitet wurden, dann später aber auch mit Hilfe von Vervielfältigungstechnik zum Teil beachtliche Auflagen erreichten. In den Betrieben und Regionen bildeten sich langsam konspirative Strukturen der Solidarność heraus.