Ein ungemein wichtiger Aspekt der oppositionellen Aktivitäten war es, einen unzensierten Nachrichten- und Meinungsfluss zu gewährleisten. Die „unabhängigen Verlage“, wie sie damals genannt wurden, stellten nicht nur eine Informationsquelle und ein Forum für den Gedankenaustausch dar, sie waren darüber hinaus ein grundlegendes Medium für die Integration der Oppositionsbewegung, für die Pflege der Kontakte zwischen oppositionellen und deren Sympathisanten. Das Redigieren, Vervielfältigen und Weiterverbreiten der Druckerzeugnisse war zudem eine sehr praktische Arbeit, für die ein relativ großer Kreis von Menschen benötigt wurde, der dann laufend mit konkreten Aufgaben betraut wurde. Mit dem Anwachsen der Bewegung stieg auch die Anzahl der veröffentlichten Zeitschriftentitel, die Schriften wurden nicht nur umfangreicher, sondern auch von der editorischen Seite her anspruchsvoller.
Neben den bereits erwähnten Schriften „Komunikat KOR“ und *„Biuletyn Informacyjny“ (die ab dem Herbst 1977 zusammengeheftet erschienen), entstand nach der Amnestie von 1977 eine ganze Bandbreite von Publikationen für verschiedene soziale und berufliche Zielgruppen. Es erschienen umfangreiche publizistische Zeitschriften für die Intelligenz („Głos“/Stimme, *„Krytyka“/Kritik), für Literaturinteressierte (*„Zapis“/Aufzeichnung, „Puls“), für die verschiedenen mit dem *KSS „KOR“ liierten Kreise sowie die Zeitschrift „Spotkania“ (Begegnungen), die unabhängig vom Komitee erschien und von jungen Katholiken herausgegeben wurde (unter anderen von Janusz Krupski). Speziell für die Weiterverbreitung in Betrieben und Fabriken gab *KSS „KOR“ die Zeitschrift *„Robotnik“ (Arbeiter) heraus. Anliegen dieser Zeitschrift war es, die Arbeiter unmittelbar zur Wahrnehmung ihrer ureigenen Interessen, zur Selbstorganisierung und Selbstverwaltung zu ermutigen.
Die von der Zensur errichteten Hürden überwand immer wieder das von Mirosław Chojecki geleitete Unabhängige Verlagshaus *NOWA (Niezależna Oficyna Wydawnicza NOWA), das seine Tätigkeit 1977 aufnahm. Unter den circa 100 Titeln, die *NOWA bis 1980 herausbrachte, überwog die Belletristik, darunter Gedichtbände von Czesław Miłosz, Romane von Tadeusz Konwicki und Kazimierz Brandys (die Werke dieser Autoren durften in der Volksrepublik Polen nicht gedruckt werden), aber auch ins Polnische übersetzte Weltliteratur, wie zum Beispiel die „Blechtrommel“ von Günter Grass. Die in Auflagen von 3.000 bis 5.000 hergestellten Zeitschriften und Bücher wurden inoffiziell über ein speziell geschaffenes Vertriebsnetz verbreitet. Während die Namen der Redakteure im Impressum aufgeführt waren, stellten der gesamte Verlagsprozess und die Adressen der Druckereien streng gehütete Geheimnisse dar.
Hinter den genannten Initiativen standen Leute sowohl revisionistischer als auch liberal-demokratischer Prägung, etliche Znak-Aktivisten sowie junge Intellektuelle – Teilnehmer der Demonstrationen im *März 1968 und mit ihnen in Verbindung stehende Studenten. Auf diese Art entstand ein ideell und sozial sehr breit gefächertes Spektrum von Menschen, die solidarisch zusammenarbeiteten, obgleich es natürlich zwischen ihnen auch zu Spannungen und Konflikten kommen konnte. Die markanteste Trennlinie im *KSS „KOR“-Lager bestand zwischen der Gruppe um Antoni Macierewicz und die Monatsschrift „Głos“ einerseits und der Mehrheit, die Jacek Kuroń und Adam Michnik als Autoritäten anerkannten.
Ein eigener Oppositionskreis bildete sich um Leszek Moczulski und die vormaligen *Ruch-Aktivisten, vor allem Andrzej Czuma. Im März 1977 wurde die Gründung der Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela; *ROPCiO) bekannt gegeben, die mit „Opinia“ (Meinungen) eine eigene, unzensierte Zeitschrift herausgab. Im Herbst 1977 folgten die an Bauern adressierte Zeitschrift „Gospodarz“ (Landwirt) und das Blatt „Bratniak“ (Bruderbund), das sich an Studenten richtete. Die Bewegung *ROPCiO blieb nicht ohne Einfluss auf einige Studentische Solidaritätskomitees, auf Bauernkreise und die Freien Gewerkschaften in Schlesien. Zwischen *KSS „KOR“ und *ROPCiO herrschte eine gewisse Konkurrenz, die unter anderem auf ideologische Unterschiede zurückzuführen war. 1978 kam es bei *ROPCiO zur Spaltung, die den Beginn eines Prozesses markierte, der 1980 dazu führte, dass auf der einen Seite die von Leszek Moczulski angeführte *Konföderation Unabhängiges Polen (Konfederacja Polski Niepodległej; KPN) aktiv war und auf der anderen Seite die Gruppe Bratniak mit der *Bewegung Junges Polen (Ruch Młodej Polski) von Aleksander Hall als organisatorischer Basis entstand.
Zahlenmäßig lässt sich die aktive Opposition jener Zeit auf etwa 1.000–1.500 Personen schätzen, wobei sich ein Teil davon lediglich sporadisch an einzelnen Aktionen beteiligte. Der Kreis der aktivsten Bürgerrechtler – Mitglieder von Komitees, Redaktionen, Drucker und Vertriebsbeauftragte für unzensierte Druckerzeugnisse – umfasste vor dem August 1980 ungefähr 300–500 Personen. Die wichtigsten Zentren von oppositionellen Aktivitäten und Untergrundverlagen waren die Großstädte Warschau, Krakau, Breslau und Danzig.
Die Oppositionsgruppen in der zweiten Hälfte der 70er Jahre bewegten sich immer wieder in einer Art Grauzone zwischen dem, was vom Gesetz her verboten und dem, was zulässig war. Daher wurde auch die Forderung nach Öffentlichkeit und auf in der Verfassung verankerte Rechte erhoben, auf die man sich berufen konnte. Sogar die äußerst radikal agierende *Konföderation Unabhängiges Polen unterstrich mehrmals, dass sie sich im Rahmen des Rechts bewege, das die Bildung politischer Parteien nicht verbiete. Zugleich organisierten jedoch alle Oppositionskreise einen Teil ihrer Arbeit konspirativ, um sich so vor Störmanövern der Polizei zu sichern. Das galt insbesondere für die Verlagsarbeit. Konspirative Methoden nutzte in größerem Maße *ROPCiO, das über eine eigene konspirative innere Struktur verfügte. Die einzige bedeutsame Oppositionsgruppe jener Zeit, die ausschließlich konspirativ agierte, war die *Polnische Unabhängigkeitsallianz (Polskie Porozumienie Niepodległościowe; PPN), die ab Mai 1976 Texte zu ihren politischen Zielen, zum Bewusstseinsstand der Gesellschaft und anderem veröffentlichte. Die Initiatoren und treibenden Kräfte ihrer Arbeit waren Zdzisław Najder, Jan Olszewski und Andrzej Kijowski.
Die Strategie der oppositionellen Aktivitäten jener Zeit lässt sich in folgenden Punkten zusammenfassen:
- Sensibilisierung der Menschen für soziale Probleme, um dann entsprechenden Druck auf die Herrschenden ausüben zu können;
- Schaffung von selbstständigen, von der Staatsmacht unabhängigen Initiativen (auch Zeitschriften);
- Vernetzung und gemeinsames Vorgehen der vielen kleinen Oasen unabhängigen Handelns;
- Schaffung von Enklaven einer freien Gesellschaft, auf die die Parteiherrschaft keinen Zugriff hat;
- allmähliches Wachsen dieser Enklaven (kraft ihrer eigenen Wertehierarchien, eigener Ziele, Führungspersonen und Informationsmedien), dadurch Beschneidung der totalitären Herrschaft.