Geschichte der polnischen Opposition
Nachdem die Rote Armee Polen im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Besatzung befreit hatte, geriet das Land 1944/45 in die sowjetische Einflusssphäre. Indirekt bestätigte dies die Konferenz der „Großen Drei“ in Jalta. Der Staat, der sich schon 1939 gegen den Aggressionskrieg Hitlers zur Wehr gesetzt hatte, sah sich am Ende dieses Krieges seiner Souveränität beraubt – mit einer Regierung von Stalins Gnaden. Der Zweite Weltkrieg bedeutete für Polen zudem eine Verschiebung nach Westen. Die Sowjetunion annektierte fast die Hälfte des polnischen Vorkriegsterritoriums, dafür erhielt Polen die bis dahin deutschen Gebiete östlich von Oder und Lausitzer Neiße sowie einen Teil Ostpreußens. Dies bestimmte auch das Verhältnis der polnischen Bevölkerung zur Nachkriegsrealität. Das durch den Verlust der Unabhängigkeit entstandene Gefühl der Niederlage führte bei einem Teil der Gesellschaft zu einem Gefühl der Resignation, zum Wunsch nach Anpassung, zur Suche nach positiven Aufgaben bei der Bewirtschaftung und Gestaltung der neuen Westgebiete. Bei anderen führte es zu radikaler Verweigerung und zur Hoffnung auf einen großen Wandel – und sei es auf Kosten eines Krieges zwischen dem Westen und der UdSSR. Diese Trennlinien prägten auch die damalige Opposition.
Die Gegner des Systems entstammten nahezu ohne Ausnahme den konspirativen Strukturen aus der Zeit der deutschen Besatzung, hatte doch während des Krieges in Polen ein weit verzweigter und gut organisierter Untergrund existiert, dessen wichtigster Teil die polnische Heimatarmee (Armia Krajowa; AK) war. In den Reihen der Heimatarmee standen mehrere Hunderttausend Polen, darunter der aktivste Teil der jungen Generation. Die größte bewaffnete Operation der Heimatarmee – und zugleich eine Manifestation des Unabhängigkeitsstrebens – war der Warschauer Aufstand im August 1944. Dieser Aufstand legte zum einen die feindliche Haltung Stalins und zum anderen die Ohnmacht bzw. Gleichgültigkeit der westlichen Alliierten offen.
Nach Installierung der kommunistischen Staatsmacht wurde die Heimatarmee – obgleich sie durch ihren Oberkommandierenden im Januar 1945 aufgelöst worden war – zur Zielscheibe brutaler Angriffe. Ihre Soldaten wurden verfolgt und zu Zehntausenden bis tief ins Innere der Sowjetunion deportiert. Ein Teil der Soldaten wollte den Kampf gegen die – wie sie sagten – neuen Besatzer und die mit ihnen kollaborierende Staatsmacht fortführen. Eine Organisation, die aus der Heimatarmee hervorging, war die Vereinigung „Freiheit und Unabhängigkeit“ (Zrzeszenie Wolność i Niezawisłóść; WiN), die in den ersten Nachkriegsjahren den politischen und bewaffneten Widerstand organisierte. Die WiN konkurrierte im Untergrund mit anderen konspirativen Strukturen nationalistischer Prägung – wie der „Nationalen Militärvereinigung“ (Narodowe Zjednoczenie Wojskowe; NZW) und den „Nationalen Streitkräften“ (Narodowe Siły Zbrojne; NSZ). In weiten Teilen des Landes existierten bewaffnete Abteilungen, die Regierungs- und Verwaltungsstellen der neuen Machthaber attackierten. 1945–47 gelang es den Sicherheitskräften unter Hinzuziehung von Truppen, den bewaffneten Untergrund zu zerschlagen; die Befehlshaber wurden verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt, etliche wurden hingerichtet. Ungeachtet der von der Regierung 1947 verkündeten Amnestie stellten Leute aus der Heimatarmee und der ehemaligen antideutschen Konspiration weiterhin die große Mehrheit der politischen Häftlinge dar, die zu Zehntausenden in polnischen Gefängnissen saßen. Erst mit dem Einsetzen des politischen Tauwetters Mitte der 50er Jahre kamen sie auf freien Fuß. Das weitere politische Schicksal dieser Menschen nahm durchaus verschiedene Formen an, in den Augen der Machthaber jedoch waren sie alle „verdächtige Elemente“.
Der Untergrundkampf, begleitet von der Hoffnung auf einen radikalen Wandel der geopolitischen Lage des Landes, war jedoch nur eine Spielart des Widerstands. Daneben gab es die legale Opposition, vor allem repräsentiert durch die Polnische Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe; PSL), an deren Spitze Stanisław Mikołajczyk, der ehemalige Premierminister der Exilregierung, stand. Er erkannte die Vereinbarungen von Jalta an und kämpfte für die Umsetzung der dort verankerten Forderung nach der Durchführung freier Wahlen in Polen. Die von ihm aufgebaute und geführte Partei zählte auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung 800.000 Mitglieder. Allen Schikanen, propagandistischen Angriffen, Repressionen und Lügen zum Trotz wollte Mikołajczyk es auf eine demokratische Entscheidung der Wähler ankommen lassen. Trotz Unterstützung vonseiten der westlichen Garanten der Jaltaer Vereinbarungen verlor er, denn die von Stalin unterstützten kommunistischen Machthaber waren nicht daran interessiert, die Festlegungen von Jalta vollständig umzusetzen. Nach der gefälschten Wahl im Januar 1947, der Reduzierung der PSL-Fraktion im Sejm auf eine symbolische Größe und angesichts der nicht enden wollenden rücksichtslosen Attacken flüchtete Mikołajczyk im Oktober 1947 aus Polen. Weitere führende PSL-Politiker folgten seinem Beispiel, andere wurden verhaftet. Die Partei übernahmen Leute, die zu sehr weitgehenden Kompromissen mit den Kommunisten bereit waren.
Widerstand gegen die Diktatur wurde von unterschiedlichsten Kreisen artikuliert. Da jedoch die Kommunisten die Exekutive an sich gerissen hatten, waren die Möglichkeiten legalen Wirkens für andere Parteien blockiert. Weder die Nationale Partei (Stronnictwo Narodowe; SN) noch die Sozialdemokratische Partei konnte dagegen etwas ausrichten. Einige Monate waren die Christdemokraten in Gestalt der Partei der Arbeit (Stronnictwo Pracy; SP) aktiv, wenn auch unter äußerst schwierigen Bedingungen. Im Juli 1946 verkündete SP-Chef Karol Popiel die Selbstauflösung der Partei, nachdem die Staatsführung die Abhaltung eines Parteikongresses vereitelt hatte. Die SP wurde in der Folge von einer prokommunistischen Gruppe übernommen und existierte als kleine Partei bis 1950 weiter.
Ausdrucksformen des Widerstandes gegen die kommunistische Herrschaft waren in den ersten Nachkriegsjahren durchaus auch patriotische Kundgebungen, so aus Anlass des 3. Mai 1946 (dem Jahrestag der Verfassung der I. Rzeczpospolita) in Krakau und in anderen Städten. Es gab auch Streiks, aber in erster Linie wurden im alltäglichen Leben die Werte kultiviert, die von der neuen Macht attackiert wurden: Man unterstützte Verfolgte, bewahrte das Andenken an die Unabhängigkeitstradition und achtete darauf, dass sich auch die junge Generation diese Tradition zu eigen machte. Eine wichtige Strömung innerhalb des Widerstands war nämlich die Konspiration der Jugend, besonders in der schlimmsten Zeit des Stalinismus in Polen.